In einer messianischen Interpretation von Wirklichkeit meint Selbstbewusstsein etwas anderes: Hier ist der Mensch zunächst gefordert, sich über die in ihm wirkenden Mechanismen und deren Herkunft analytisch Aufklärung zu verschaffen, sich also seiner selbst bewusst zu werden und beobachten zu lernen, wie sich die vorgefundenen Mechanismen gerade auch im menschlichen Miteinander auswirken können. Das macht zunächst ein naives "werde, der Du bist" unmöglich. Es wächst ein ausgeprägtes Problembewusstsein heran. Das eigene Selbst wird als mögliche Last gerade auch für andere wahrgenommen. Dem Selbst wird nun allerdings keine philosophisch oder theologisch begründete Metaphysik vorgehalten, die ein normatives "ändere" oder "bessere Dich" formuliert. In messianischer Perspektive darf das Selbst sich und seine spezifischen Mechanismen vielmehr als aufgehoben und überwunden anschauen. In dieser Anschauung wendet sich die Selbstverwirklichung zum Selbstgebrauch. Das Selbst bleibt nicht mehr Sklave seiner eigenen Funktionsweisen und Zielvorstellungen. Es entwickelt vielmehr in Freiheit von sich selbst die Fähigkeit, ganz im Hier und Jetzt zu leben und gerade das zu tun, was Hier und Jetzt notwendig ist - was die Not wendet.
Selbstbewusstsein und Selbstverwirklichung sind leicht. Selbstfreiheit und Selbstgebrauch dagegen sind Kampf - allerdings ein Kampf, der als bereits gewonnen begriffen werden darf.
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