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Donnerstag, 3. März 2016

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Eine andere Analogie zwischen Isaak und Jesus, Morija und Golgatha lässt sich denken: Abraham hat nicht im Glauben damit gerechnet, dass er Isaak letztlich doch nicht opfern müsste. Er hat ihn wirklich glaubend geopfert, während er zugleich glaubend ins nun wieder völlig Unbestimmte hinein an der Erfüllung göttlicher Verheißung festhielt. Als Gleichnis dafür, dass das Verheißene tatsächlich etwas ganz anderes ist, als das in der Weltwirklichkeit Empfangene, wurde ihm Isaak wiedergegeben (Jak 2,21; Hebr 11,17-19).

Das messianische Ereignis wäre dann analog so zu interpretieren: Hier geschieht nichts Neues, hier wird das alte Gleichnis lediglich weiter aufgeklärt und verschärft. Das messianische Ereignis meint nicht die Gnade der real anbrechenden Gotteswirklichkeit in der Weltwirklichkeit. Es fordert vielmehr dazu auf, alle Hoffnungen auf eine andere, bessere Weltwirklichkeit endgültig loszulassen. Das Verheißene wird gerade nicht in der Weltwirklichkeit empfangen, noch nicht einmal in ersten Abschattungen, sondern in einer ganz anderen Wirklichkeit, in der die Weltwirklichkeit bereits jetzt als aufgehoben und überwunden interpretiert werden darf. Allein in solcher Interpretation ist Freiheit von der Weltwirklichkeit möglich.
In diese Richtung weist die vorchristliche Theologie des Paulus: Hier gibt es in der Weltwirklichkeit keine glückliche Wendung, keine Rettung in höchster Not, kein Happy Ending. Dem Glaubenden ist jede Ausflucht in andere Weltwirklichkeiten versagt, er ist total ins jeweilige Hier und Jetzt geworfen. Das Hier und Jetzt wird nicht bekämpft - wie es einige Gnostiker fordern. Das Hier und Jetzt wird aber auch nicht auf ein Besseres hin transformiert - wie es das Christentum in seinen verschiedenen Erscheinungsformen verlangt (Paulus konnte selbst dem Sklaven noch empfehlen, Sklave zu bleiben). Indem er Vergangenheit und Zukunft der Weltwirklichkeit losgelassen hat, ist der paulinisch Glaubende in seiner jeweiligen Gegenwart ganz gegenwärtig und ganz für die Weltwirklichkeit da - getragen von der Hoffnung auf eine ganz andere Erfüllung der Verheißung.
So interpretiert ist das messianische Ereignis zweifellos eine Gnade - allerdings eine bittere, ent-täuschende und total fordernde Gnade. Diese Gnade befreit von der Weltwirklichkeit, mutet aber zugleich auch zu, keinen weltwirklichen Verheißungen mehr hinterher zu laufen. Diese Gnade fordert das totale Opfer der Weltwirklichkeit.



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