Meine Weltwahrnehmung war in dieser Zeit eindeutig und ungetrübt: Heim und Familie waren das Paradies. Hier war Gott gegenwärtig, hier war der Ort des Heils, in dem ich Zuflucht finden konnte. Schon der Weg hinab ins Dorf war dagegen der Weg hinab in die böse Welt dort draußen. Von den Jungs des Dorfes habe ich mich nie richtig angenommen gefühlt, irgendwie war da immer etwas Feindseliges in ihrem Verhalten. Mitmachen, so habe ich es damals empfunden, durfte ich bei ihnen nur, wenn und insofern sie etwas davon hatten. So war es ihnen etwa erlaubt, auf dem Fußballplatz des Heims zu spielen. Und diesen Vorteil wollte niemand von ihnen gefährden.
Eines überraschenden Tages, ich war 10 Jahre alt, kam es zum für mich plötzlichen Bruch zwischen dem Träger des Heims und meinem Vater. Manches von dem, was die Geschäftsleitung in dubioser Weise tat und plante, konnte und wollte mein Vater nicht mehr mittragen. Innerhalb kürzester Zeit musste er seinen Schreibtisch räumen und sich beruflich neu orientieren. Als Familie waren wir im Heim noch eine Weile geduldet, haben aber dann doch sehr rasch und in meiner Wahrnehmung fluchtartig bei Nacht das Haus verlassen und den Wohnort wechseln müssen.
Psychoanalytisch war dieser Moment meine Vertreibung aus dem Paradies. Doch diese Vertreibung hatte zwei besonders folgenreiche Pointen: Nicht der Teufel war die Schlange. Als Schlangen erwiesen sich vielmehr jene, die für mich bis dahin das Göttliche repräsentiert hatten. Und vertrieben wurden wir nicht etwa, weil mein Vater den Verlockungen der Schlange nachgegeben, sondern obwohl er ihnen standhaft getrotzt hatte. Diese beiden Irritationen haben sich in mir eingebrannt. So massiv irritiert habe ich fortan in der bösen Welt leben müssen – in einer Welt, die deutlich größer ist als das kleine Dorf meiner Kindheit und in der mir nun keine Möglichkeit mehr geblieben ist, mich an einen Ort des Heils zurückzuziehen.
Meine frühe Vertreibung aus dem Paradies hat mich zunächst misstrauisch werden lassen: misstrauisch gegenüber allen Repräsentationen des Göttlichen, zumal, wenn sie in Menschengestalt auftreten, misstrauisch aber auch gegenüber allen Vorstellungen, religiöse und moralische Treue könnten irgendeinen Heilszustand erhalten oder schaffen (auch wenn diese kindliche Sehnsucht stark ist in mir). Meine frühe Vertreibung aus dem Paradies hat mich aber auch über die Jahre dazu gezwungen, ein neues Verständnis der Weltwirklichkeit und ihres möglichen Verhältnisses zu einer anderen Wirklichkeit zu entwickeln. Heute würde ich sagen: ein nachreligiöses oder nachmetaphysisches Verständnis. Insofern ist mein unfreiwilliger Gang vom heiligen Hügel hinab ins finstere Dorf der existenzielle Boden, auf dem meine heutige Wirklichkeitsinterpretation herangewachsen ist. Und ich bin dankbar dafür.
Eines überraschenden Tages, ich war 10 Jahre alt, kam es zum für mich plötzlichen Bruch zwischen dem Träger des Heims und meinem Vater. Manches von dem, was die Geschäftsleitung in dubioser Weise tat und plante, konnte und wollte mein Vater nicht mehr mittragen. Innerhalb kürzester Zeit musste er seinen Schreibtisch räumen und sich beruflich neu orientieren. Als Familie waren wir im Heim noch eine Weile geduldet, haben aber dann doch sehr rasch und in meiner Wahrnehmung fluchtartig bei Nacht das Haus verlassen und den Wohnort wechseln müssen.
Psychoanalytisch war dieser Moment meine Vertreibung aus dem Paradies. Doch diese Vertreibung hatte zwei besonders folgenreiche Pointen: Nicht der Teufel war die Schlange. Als Schlangen erwiesen sich vielmehr jene, die für mich bis dahin das Göttliche repräsentiert hatten. Und vertrieben wurden wir nicht etwa, weil mein Vater den Verlockungen der Schlange nachgegeben, sondern obwohl er ihnen standhaft getrotzt hatte. Diese beiden Irritationen haben sich in mir eingebrannt. So massiv irritiert habe ich fortan in der bösen Welt leben müssen – in einer Welt, die deutlich größer ist als das kleine Dorf meiner Kindheit und in der mir nun keine Möglichkeit mehr geblieben ist, mich an einen Ort des Heils zurückzuziehen.
Meine frühe Vertreibung aus dem Paradies hat mich zunächst misstrauisch werden lassen: misstrauisch gegenüber allen Repräsentationen des Göttlichen, zumal, wenn sie in Menschengestalt auftreten, misstrauisch aber auch gegenüber allen Vorstellungen, religiöse und moralische Treue könnten irgendeinen Heilszustand erhalten oder schaffen (auch wenn diese kindliche Sehnsucht stark ist in mir). Meine frühe Vertreibung aus dem Paradies hat mich aber auch über die Jahre dazu gezwungen, ein neues Verständnis der Weltwirklichkeit und ihres möglichen Verhältnisses zu einer anderen Wirklichkeit zu entwickeln. Heute würde ich sagen: ein nachreligiöses oder nachmetaphysisches Verständnis. Insofern ist mein unfreiwilliger Gang vom heiligen Hügel hinab ins finstere Dorf der existenzielle Boden, auf dem meine heutige Wirklichkeitsinterpretation herangewachsen ist. Und ich bin dankbar dafür.
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