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Kant hat das Denken über Mensch und Wirklichkeit auf drei Fragen reduziert:

Was kann ich wissen?
Was soll ich tun?
Was darf ich hoffen?

Mittlerweile ist es uns nicht einmal mehr möglich, unsere ontologischen und existenziellen Fragen in kantischer Weise zu formulieren - und dies nicht zuletzt wegen der kritischen Antworten, die Kant selbst hinterlassen hat. Unser Fragen kann nur noch deutlich zurückhaltender ausfallen. Es darf nicht mehr den Eindruck erwecken, als wäre eine allgemeine Wahrheit als sichere Auskunft möglich. Wir müssen heute wohl eher so fragen:

Wie kann ich das Wirkliche noch erzählen?
Was kann ich so erzählend noch wollen?
Worauf darf ich so wollend noch aus sein?

Um diese drei Fragen soll mein Blog kreisen. Dabei hat er ausdrücklich eine politische Pointe. Mir geht es um Haltung und Handlung in der Wirklichkeit, vor allem aber auch darum, wie das Beieinanderleben von Menschen künftig noch gedacht und gestaltet werden kann.

Mein Denken bewegt sich suchend und tastend voran, aber nicht orientierungslos und unbestimmt. Angestoßen durch die Gefängnistheologie Dietrich Bonhoeffers und angeregt durch die poststrukturalistische Philosophie insbesondere in Frankreich und Italien meine ich, das Ende des Fadens einer hilfreichen Interpretation neu in Händen zu halten: das von Paulus entwickelte und geforderte hōs mē (als ob nicht) von Mensch und Wirklichkeit. Diese Interpretation ist alles andere als christlich, wohl aber theologisch. Ich nenne sie zunächst paulinisch, messianisch oder auch abrahamitisch. Wo ich Paulus weiterzudenken und über ihn hinauszuschreiten versuche, nenne ich meine Interpretation reservativ. Was sich hinter diesen Begriffen verbirgt, wird sich, so hoffe ich, irgendwann aufgeklärt haben.

Auch wenn es sie noch gibt und weiterhin geben wird, so ist doch die Zeit der großen systematischen Entwürfe von Wirklichkeit und Wirklichkeitsgestaltung vorbei. Was uns im Denken und Leben bleibt, ist das Fragment. Und so verfolgt auch mein Blog keine systematische Absicht. Er liefert nicht mehr als Fundstücke von Sein und Existenz und ihrer möglichen Interpretation. Vielleicht liefert er zuletzt aber noch mehr: eine Vorstellung davon, wie sich diese Fundstücke aus- und zusammenhalten lassen.

Noch ein Hinweis: Grundsätzlich antworte ich nicht direkt auf Kommentierungen meiner Einträge. Ich entnehme daraus aber gerne Anregungen für einen nächsten Eintrag.


Neubiberg, 22. Februar 2016