Es ist gerade das Ungesagte, was mich nicht zuletzt an biblischen Texten interessiert: Abraham in den Jahrzehnten, in denen Gott nicht mit ihm spricht, vor allem aber in den dramatischen Stunden auf dem Weg ins Land Morija. Mose in den 40 Jahren, in denen er Jethros Schafe hüten muss. Der französische Philosoph Jacques Derrida verweist auf die Aporien, die Rat- und Ausweglosigkeiten, die Offenheiten des Ungesagten, von denen aus wir Texte neu befragen lernen müssen. Zahlreiche Gültigkeiten und Geltungsansprüche, die wir üblicherweise aus Texten ableiten, lassen sich so dekonstruieren - also aufklären und damit enttäuschen.
Es muss für Paulus in den Jahren des Rückzugs ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, sich von den Anekdötchen und Interpretationen der echten Jesus-Jünger zu distanzieren und sich eine eigene Interpretation des messianischen Ereignisses anzueignen. Und es muss ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, sich durch die jüdische Tradition hindurchzuarbeiten und zu einer aufgeklärten Wiederentdeckung abrahamitischen Glaubens vorzudringen. Besonders faszinierend aber ist, dass Paulus diese zunächst so enttäuschende Entdeckung später in geradezu militärischer Diktion als Evangelium, als Sieg über die Weltwirklichkeit, ihre Götter und Reiche zu formulieren vermag. Nicht ohne Grund ist Paulus als religiöse und politische Bedrohung wahrgenommen und hingerichtet worden.
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