Zum pragmatischen Denken empfinde ich eine gewisse Nähe. Mir gefällt die kritische Distanz zu allen Sicherheiten des Wissens und der Praxis. Ich teile die Annahme, dass jedes noch so nüchtern erscheinende Faktenwissen immer interpretiertes und damit immer auch bedingtes und gewertetes Wissen ist. Auch ich halte eine dezisionistisch schließende Praxis für unvermeidlich.
Und doch: Als philosophisches Phänomen der Gegenwart wirkt der Pragmatismus auf mich immer wie eine Art Borderline-Störung. Tun wir mal so, als ob es so wäre und gelingen könnte – bis die Wirklichkeit uns dazu zwingt, unser als ob aufzugeben. Allerdings ist die Bereitschaft zur Aufgabe des Angenommenen unter Pragmatisten sehr begrenzt. Wenn es etwa um ihre anthropologischen Grundannahmen oder um ihre politische Dezision für die demokratische Öffentlichkeit geht, dann erweisen sich Pragmatisten als recht dogmatisch oder gar als fundamentalistisch.
Anmerkung: Im Gespräch hat Habermas am Rande an eine wohl oft wiederkehrende Bemerkung Adornos erinnert: „Kant ist nicht fähig, die Verzweiflung zu denken.“ Treffender lässt sich kaum sagen, was mich von Kant und kantischem Denken trennt – die Unfähigkeit dieses Denkens, sich der Verzweiflung zu stellen.
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