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Montag, 6. März 2017

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Am vergangenen Samstag im Münchener Gasteig: Hauptprobe für das Luther-Oratorium am 18. März 2017 in der Olympiahalle. Gegen Ende ein kurzer und doch allzu langer Auftritt von Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der EKD.

Im wissenschaftlichen Diskurs bin ich Bedford-Strohm gelegentlich begegnet und habe ihn schon hier als einen Menschen wahrgenommen, der vollgestopft ist mit Antworten. Das hat zur Folge: Er vermag die entscheidenden Fragen der Wirklichkeit nicht zu hören. Und er vermag nicht zu Schweigen – im kirchlichen Amt weniger denn je.
Bei seiner kleinen (unpassend frommen) Ansprache am Samstag hat Bedford-Strohm den Eindruck vermittelt, als sei Luthers Wendung vor allem darin zu finden, dass die moralische Einhegung des menschlichen Lebens nicht mehr als heteronomer Gottesdienst zu verstehen sei, sondern nun als autonomer Menschendienst begriffen werden dürfe. Abgesehen davon, dass diese Anschauung ein Produkt nach-aufgeklärter, säkularisierter Theologie ist – in dieser Anschauung äußert sich das, was ich mit Bonhoeffer (in dessen Nachfolge sich Bedford-Strohm wähnt) „billige Gnade“ nennen würde: eine Gnade, die erlaubt, den (moralischen) Gesetzen der Weltwirklichkeit weiter Folge zu leisten, also gewissermaßen weiterzumachen wie bisher – nur jetzt eben nicht mehr fremdbestimmt sondern selbstbestimmt.
Die zentrale Freiheitsintuition Luthers (der dieser selbst unter seinen eigenen Bedingungen kaum Raum verschaffen konnte) ist damit völlig verfehlt, gegenmessianisch verdreht. Derartige gegenmessianische Verdrehungen sind allerdings immer dann notwendig, wenn man, wie Bedford-Strohm, zum politischen und sozialen, zum kulturellen Establishment gehören will.

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