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Donnerstag, 16. März 2017

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Wer auch nur einen ersten Zugang zu Max Webers (in politischer Absicht vorgenommener) Unterscheidung von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik finden will, der darf Webers Wirklichkeitsinterpretation nicht übersehen.

Weber versteht Wirklichkeit nicht als etwas irgendwie Geordnetes oder als etwas, das sich irgendwie ordnen ließe. Wirklichkeit ist ein ungeordnetes und nicht zu ordnendes Chaos von Ereignis-, Interpretations- und Praxiskausalitäten. Wer sich in diesem Chaos in vermeintlich entlastende Prinzipien zurückzieht, wer sich in quasi-heilsgeschichtliche Sicherheiten des Grundes oder der Verheißung, der Herkunft oder der Zukunft flüchtet, der ist in Fragen der (politischen) Wirklichkeitshandhabung ein Kind und bedarf dringend der elterlichen Anleitung oder gar Aufsicht.
So gesehen ist jede christliche Inanspruchenahme der Unterscheidung Webers verfehlt. Christliche Ethik ist immer auf die eine oder andere Weise heilsgeschichtlich getränkt, ist immer mehr oder weniger offensichtlich schöpfungstheologisch oder eschatologisch hinterlegte Mitwirkungsethik (cooperatio Dei). Im Kontext der Mitwirkung können Begriffe wie Gesinnung oder Verantwortung schlechtweg nicht das meinen, was Weber mit ihnen zum Ausdruck bringen will.

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