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Freitag, 21. Oktober 2016

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Je näher man hinschaut, desto deutlicher erweist sich die Verheißung des liberalen Marktes als Täuschung – dargestellt am Beispiel meiner Suche nach einem Herren-Deodorant.

Der Markt verspricht mir die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl verschiedener Produkte, aus denen ich mir ein mir gefälliges Deodorant auswählen kann (Identität). Nach eingehendem Vergleich entscheide ich mich für ein Produkt, das meine Vorstellung bestmöglich repräsentiert, mit dessen Hilfe ich also drei Wünsche zugleich verwirklichen kann: Ich will gut (mir selbst und meinen unmittelbaren Bezugspersonen angenehm) riechen, ich will vor Schweißproduktion bestmöglich geschützt sein, und ich will für diese Leistung einen bei täglichem Gebrauch noch erträglichen Preis zahlen.
Abgesehen davon, dass diese drei Wünsche die Produktauswahl erheblich einschränken und bereits Kompromisse (Identitätsdifferenz) von mir fordern: Erfahrungsgemäß spätestens nach zwei Jahren, im ungünstigen Fall bereits schon nach wenigen Wochen, entscheidet der Markt in einem hegemonialen Akt, dass das von mir gewählte Produkt nicht mehr angeboten wird. Gegen meinen Willen, aus Gründen, die dem Markt eigentümlich sind, werde ich also aus einer mühsam gefundenen Kompromiss-Identität herausgerissen, vor eine transformierte Wirklichkeit gestellt und zu einer erneuten Identitätssuche gezwungen.
Der Liberalismus ist eine Lüge: Er verspricht die Möglichkeit der Verwirklichung von Individualität, tatsächlich aber zwingt er unausgesetzt unter allgemeine Gesetze von Markt-, also von Massenbewegungen.

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