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Donnerstag, 6. Oktober 2016

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Aus dem heutigen Lehrtext der Herrnhuter Losungen: „Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen“ (1 Kor 6,12). Das ist komprimiertes paulinisches Evangelium, Kurzfassung, geradezu Kurzformel reservativen Lebens: universale Dispensation vom Gesetz der Weltwirklichkeit.

Das meint einerseits: Kein repräsentatives Gesetz, keine Repräsentation eines allgemeinen Sollens (z.B. religiöse oder metaphysische Imperative) darf noch Geltungsansprüche anmelden. Das meint andererseits: Nichts von dem, was repräsentative Gesetze, was allgemeine Sollensansprüche zu beherrschen vorgeben (z.B. der Sexualtrieb), darf sich nun noch, gewissermaßen entfesselt und ein anderes Sollen repräsentierend, meiner bemächtigen.
Reservatives Leben ist von ausnahmslos allen weltwirklichen Sollensansprüchen dispensiert und zu ihrem reservativen Gebrauch befreit.

Anmerkung: Das „alles ist erlaubt“ am Ende der Repräsentationen (Kreuz) muss erst einmal ausgehalten, ertragen und vielleicht sogar durchlitten werden. Man steht dogmatisch wie ethisch plötzlich mit leeren Händen da. Doch jenseits der Repräsentationen, im reservativen „es soll mich nichts gefangen nehmen“ (Auferstehung) wartet die Freiheit.

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