Bonhoeffer stellt sich zunächst und vor allem der Herausforderung einer Uminterpretation zentraler Begriffe seiner hermeneutischen Herkunft. Damit folgt er einer auch für die reservative Interpretation wegweisenden Intuition. Jede Uminterpretation der Wirklichkeitsanschauung beginnt mit dem, was mit Hegel „Arbeit am Begriff“ und dann „Fortbestimmung des Begriffs“ genannt werden kann. Wirklichkeitsrelevante, wirklichkeitsdominierende Begriffe der repräsentativen Tradition müssen zunächst reservativ umbestimmt werden. Anschließend wäre zu benennen, welches als ob nicht der Weltwirklichkeit im jeweiligen Begriff ausgesagt ist.
Dieser kaum zu bewältigenden Aufgabe werde ich mich wohl oder übel zumindest in ersten Ansätzen stellen müssen – bevor ich überhaupt an Entfaltungen denken kann. Es ist die entscheidende Schwäche der paulinischen Briefe, dass sie die reservative Interpretation und den reservativen Gebrauch ihrer Begriffe still voraussetzen. Das macht diese Briefe so anfällig für repräsentative Vereinnahmungen.
Anmerkung: Einer der gefährlichsten und folgenschwersten Texte des christlichen Kanons ist der Eröffnungshymnus des Johannes-Evangeliums. Gott als Wort, das Fleisch wird, ist, repräsentativ interpretiert, geradezu eine Steilvorlage für die griechische und römische Logos-Philosophie und zugleich Grundlage für die christliche Inkarnationstheologie. Reservativ uminterpretiert ist Gott als verungültigendes Wort dagegen der Tod nicht nur des Logos, sondern vor allem auch des inkarnierten Christengottes. „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht“ (Lk 21,33). Dieses jesuanische Wort muss messianisch, verungültigend, reservativ begriffen werden. Nicht repräsentativ.
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