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Samstag, 11. Juni 2016

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Ungültigkeitstheologische Interpretation sieht die Pointe der biblischen Schöpfungserzählungen nicht darin, dass Gott Schöpfer der Weltwirklichkeit ist (etwa im Sinne eines philosophischen Postulats oder der religiösen Annahme eines „intelligent design“). Gesagt ist vielmehr: Geschaffene Wirklichkeit und tatsächliche Weltwirklichkeit brechen unvermittelbar auseinander. Zugleich bricht der Zugang zur Gotteswirklichkeit ab. Der Rückweg in die geschaffene Wirklichkeit und damit in die Gottesnähe ist ausgeschlossen (Gen 3,24).

Es gibt also keinen „Link“ mehr zwischen tatsächlicher Weltwirklichkeit und geschaffener Wirklichkeit. Das bedeutet: Nichts, was wirklich ist, ist geschaffen. Nichts, was wirklich ist, hat oder bietet Zugang zum Geschaffenen (und damit zum Schöpfer). Nicht die Vernunft, nicht die Sinne, nicht der Leib, nicht die Ereignisse oder Erscheinungen. Dieser Zustand von Sein und Existenz, so die ungültigkeitstheologische Annahme (im Unterschied zur christlichen Tradition), wird durch das messianische Ereignis nicht beendet oder aufgeweicht, sondern vielmehr bekräftigt und erhärtet. Gott ist ganz anders, die Welt ist unvermittelbar und unheilbar gottlos. Allerdings lässt sich das messianische Ereignis so interpretieren, dass die unvermittelbar und unheilbar gottlose Welt immer schon als ungültig begriffen werden darf.
Unter diesen Interpretationsvoraussetzungen ist der für Gott eingesetzte Begriff Schöpfer leer, ohne Inhalt. Er ist sogar gefährlich, weil er Rückwege, Zugänge oder Vermittelbarkeiten vorgaukelt, die es nicht gibt. Allenfalls kann Gott insofern als Schöpfer geglaubt werden, als dass er Neuschöpfer ist – also in der wirklichen Verungültigung, im Werden des Vergehens der Weltwirklichkeit das Wirklichsein einer ganz anderen Wirklichkeit vorbereitet. Allerdings darf dann das Werden des Vergehens nicht so begriffen werden, als setze sich darin bereits etwas wirklich vernehmbar Neues durch.

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