Die funktionale Beziehung, die Paulus zwischen Gesetz und Sünde zu konstruieren beginnt, lässt sich verallgemeinern.
Sünde ist der Begriff für Struktur und Funktionsweise der Weltwirklichkeit, in die der Mensch mit seiner Rationalität, seiner Sinnlichkeit und seiner Leiblichkeit eingeschlossen ist. Im Begriff des Gesetzes sind alle Gültigkeiten enthalten, die die Sünde bezeichnen und zugleich aktivieren. Alles, was uns über Leib und Sinne als tatsächliche oder vermeintliche Gültigkeit erreicht und was wir rational als solche interpretieren, aktiviert und ermächtigt in uns und durch uns nichts anderes als die Sünde. Religion und Metaphysik gaukeln uns vor, sie wären in der Lage, die Mechanik der Sünde zu durchbrechen und die Welt zu bessern. Sie bieten zu diesem Zweck Dogmatiken und Ethiken an, die bestimmte Gültigkeiten als „wahr“ und „gut“ hervorheben, andere Gültigkeiten dagegen als „falsch“ und „böse“ zu unterdrücken versuchen. Damit ist der Sünde jedoch nicht beizukommen. Es wird lediglich der eine Mechanismus der Sünde gefördert, ein anderer wird diszipliniert. Besser wird die Weltwirklichkeit dadurch nicht, noch nicht einmal erträglicher – allenfalls scheinbar und flüchtig. Zuletzt ist die Welt nur auf eine anderer Weise unerträglich.
Derzeit erproben wir eine Alternative: den Verzicht auf Religion und Metaphysik. Allerdings erweist sich dieser Weg auch nicht als hilfreich. Die Unerträglichkeit der Weltwirklichkeit wird nun auch noch unberechenbar.
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