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Freitag, 15. April 2016

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Es gibt analoge Strukturen im jüdischen, im islamischen, im calvinisch-reformatorischen und im kantisch-idealistischen Denken.

Grundsätzlich werden Transzendenz und Immanenz deutlich voneinander getrennt (Kant ersetzt das Göttliche durch die „reine Vernunft“). Dann legen die vier Wirklichkeitsinterpretationen auf je eigene Weise ein göttliches Gesetz formgebend über die an sich als chaotisch und kontingent wahrgenommene Weltwirklichkeit. Damit wird die Welt nicht vergöttlicht, sie wird aber den guten Vorgaben Gottes entsprechend gebraucht und bearbeitet. Nur so kann sie der göttlichen Idee angepasst werden, nur so wirft sie den Segen als innerweltliche Frucht ab, den das göttliche Gesetz zu verheißen scheint.
Weil die Welt und ihre Segnungen nicht göttlich sind, gehen die vier Interpretationen damit einerseits auf Distanz zur Wirklichkeit, andererseits halten sie jedoch das göttliche Gesetz für das geeignete Instrument der Wirklichkeitsgestaltung. Daraus ergeben sich zahlreiche Analogien in Lebensführung und Politik.

Judentum, Islam, Calvinismus und Kantianismus sind aufgrund ihrer Weltdistanz deutlich näher an Paulus, als das römische Großchristentum. Was sie von Paulus fundamental unterscheidet, ist nicht zuletzt die Interpretation des göttlichen Gesetzes. Damit entwächst ihnen zugleich eine andere Lebensführung und eine andere Politik.

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