Er mutet zu, selbst jene erwünschten Weltwirklichkeiten loszulassen, die der Sache, der wir dienen, in unseren Augen förderlich wären. Alles, was uns gegeben ist, was wir weltwirklich haben, trägt die Gefahr in sich, uns in falsche Selbst- und Gottesbilder zu stürzen – als sei Gott darin präsent oder repräsentiert, als liege darin Segen, vielleicht sogar Auszeichnung. Daher ist das, was uns fehlt, der bessere Zugang zu Gott. Gerade in dem Mangel, der uns als „Stachel im Fleisch“ (2 Kor 12,7) besonders schmerzt, in jenen Räumen weltwirklicher Wünsche, die dauerhaft leer bleiben, sind wir Gott näher als sonst wo (ein gefährlicher Satz, ich weiß, aber ich schreibe ihn dennoch). Dabei füllt die reservative messianische Kraft, auf die Paulus angesichts seines Mangels setzt (2 Kor 12,9), das Erwünschte nicht etwa (ersatzweise) aus. Sie verhilft vielmehr dazu, die schmerzlich empfundene Lücke dauerhaft offen zu halten – und zugleich das, was gegeben ist, zu haben, als hätten wir es nicht.
Übrigens: Der Stachel im Fleisch macht den Unterschied zwischen Paulus und Mose, zwischen paulinischem und mosaischem Messianismus. Paulus bittet, muss aber Demut und Schwäche tragen lernen. Mose dagegen bittet und bekommt – seinen Bruder Aaron (Ex 4,14). Seitdem haben wir das repräsentative Priestertum am Hals.
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