Bereits in den ersten Tagen meiner Hinwendung zur Angst, zu meiner Angst, stelle ich fest, wie sehr mich diese Wendung als große fundamentale Bewegung fordern wird – die Absicht einer vor-religiösen, vor-metaphysischen Anschauung, Bezeichnung und Handhabung der Angst, meiner Angst. Es ist mir durchaus bewusst: Dieses Vorhaben ist in gewissem Sinne zum Scheitern verurteilt. Wir können weder unserer Religion noch unserer Metaphysik entrinnen, genauso wenig, wie wir unserer Kultur entrinnen können. Und doch ist dieses Vorhaben unabdingbar, notwendig. Es ist jede noch so vergebliche Anstrengung wert.
Viel zu lange hat mich unterbewusst der eigentlich längst durchschaute, heilsgeschichtlich-fortschrittsoptimistische Gedanke einer Überwindung von Religion und Metaphysik, der Gedanke einer nach-religiösen und nach-metaphysischen Zeit in seinem Bann gehalten. Es geht – noch radikaler, als ich es bislang bereits wahrgenommen habe (siehe etwa Nr. 15, 40, 63, 265) – um ein Sichzurückwerfenlassen auf die Anfänge des Verstehens (Bonhoeffer). Abrahamitischer, paulinischer, reservativer Glaube ist vor-religiös, vor-metaphysisch. Wenn wir die Eigenart dieses Glaubens tatsächlich neu verstehen lernen, wenn wir die entängstigende Kraft dieses Glaubens tatsächlich neu wahrnehmen wollen, dann müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln eine Bewegung hinter Religion und Metaphysik zurück vollziehen. Denn in jedem Danach werden wir das Davor nicht los. In jedem Danach bleiben wir im Schema unseres Gegners gefangen.
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