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Sonntag, 16. Mai 2021

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Nun denn. Existenzielle Radikalisierung. Einen Schritt zurück hinter die Kritik von Religion und Metaphysik, einen Schritt zurück hinter die Kritik der Repräsentationen, hinter die Kritik aller repräsentativen Versuche, sich des Weltwirklichen zu bemächtigen.

Begründung: Da ist etwas in uns, das uns als Bewusstseinswesen eigentümlich ist und das uns allererst in die Repräsentationen, in die Bemühungen um repräsentative Selbst- und Weltstabilisierung hineintreibt. Dieses Etwas ist, so meine Annahme: existenzielle Angst. Wenn es nun gelingen könnte, unserer existenziellen Bewusstseinsangst gewissermaßen den Nährboden zu entziehen, wenn es möglich wäre, uns als Existierende vorrepräsentativ zu entängstigen – dann wäre damit mehr gewonnen, als mit einer bloßen Kritik der Repräsentationen. Dann wäre den Repräsentationen selbst der Nährboden entzogen.

Die Annahme einer vormetaphysischen Angst, einer die Flucht in die Metaphysik allererst provozierenden Angst des Existierenden ist nicht neu. Eindrücklich markiert wird sie in jüngerer Zeit bereits bei Kierkegaard, systematisch fokussiert dann vor allem bei Heidegger. Meine intuitive Distanz zum Denken der Angst bei Heidegger: Hier wird noch zu sehr eine Angst an sich bedacht, weniger die Angst für mich, also die je eigentümliche, überaus brüchige Angst des Existierenden. Und allein diese Angst können wir heute nur noch bedenken – mitten in einer zerstückten Welt, in der wir als Existierende selbst nur noch Fragment sind und in der wir unser Selbst nur noch als fragmentiert wahrnehmen und begreifen können.

Auf meiner Suche nach ersten Anhaltspunkten für mein eigenes Denken der Angst in diesem Sinne, werde ich mich zunächst noch einmal Kierkegaard annähern. In der Auseinandersetzung mit ihm bin ich bereits in der Vergangenheit nicht selten fündig geworden.

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