Ich beobachte bei Kierkegaard aber auch zwei Hemmungen, die ihn das, was er sucht, nicht finden lassen, die ihn daran hindern, das, wonach er sich ausstreckt, tatsächlich zu ergreifen. Zunächst: Es gelingt Kierkegaard nicht, sich als Einzelner tatsächlich auf das Allgemeine einzulassen, sich als Einzelner dem Allgemeinen existenziell auszusetzen und sich dem Zwang der Handhabung des Allgemeinen zu unterziehen – geradezu existenziell dargestellt, vorgeführt, symbolisiert in Kierkegaards Auflösung seiner Verlobung mit Regine Olsen. Die Hemmung, Einzelner mitten im Allgemeinen zu sein, hindert Kierkegaard letztlich daran, tatsächlich Einzelner zu werden. Stattdessen wird er bloß Einzelgänger, eine bloße Inszenierung des Einzelnen, eine Art Anomalie, die das Allgemeine als System nicht etwa von innen heraus aufhebt und überwindet, sondern an der sich das Allgemeine als System vielmehr aufzurichten und zu befestigen vermag.
Mit dieser ersten Hemmung unmittelbar verbunden ist Kierkegaards Hemmung, sich tatsächlich auf den Glauben einzulassen, den Sprung in den Glauben tatsächlich zu wagen. Den pseudonymen Autor von Furcht und Zittern, Johannes de Silentio, lässt Kierkegaard feststellen, er selbst könne die Glaubensbewegung nicht vollziehen. Er könne sie lediglich beschreiben wie einer, der an einem Seil hängend Schwimmbewegungen nachahme. Kierkegaard ist bloß (wenngleich überaus erhellender, aufschlussreicher) Nachahmer des Glaubenden, nicht selbst Glaubender. Und auch dies hindert ihn daran, tatsächlich Einzelner zu werden. Denn Einzelner im eigentlichen, im radikalen Sinne ist allein der Glaubende. Der Einzelne, der nicht glaubt, ist allenfalls das, was wir heute üblicherweise als Individuum bezeichnen – und damit letztlich nichts anderes, als eine Erscheinungsform, als eine Ausdrucksform des Allgemeinen.
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