Selbstbesinnung: Ich beobachte, wie rasch ich geneigt bin, auf existenzielle Fragen existenzielle Antworten zu geben, meine existenziellen Antworten. Ich beobachte aber auch ein inneres Unbehagen, einen inneren Unwillen, diese Antworten tatsächlich zu formulieren. Weil es eben meine Antworten sind, weil der Weg zu diesen Antworten so lang und beschwerlich war und vor allem: weil es meine eigenen existenziellen Fragen waren, die mir meinen eigenen Weg vorgezeichnet haben. Und diese Fragen müssen nicht die Fragen dessen sein, der mich heute, nachträglich nach meinen Antworten fragt. Bevor wir als existenziell Suchende in der Begegnung also mögliche Antworten austauschen, müssen wir zunächst einmal die existenziellen Fragen zu formulieren versuchen, die sich uns im Wirklichen stellen, denen wir in der Begegnung mit dem Wirklichen, denen wir insbesondere in der Begegnung mit uns selbst als Wirklichkeit nicht ausweichen können.
Damit aber noch nicht genug. In unseren existenziellen Fragen äußern sich immer auch, hinter unseren existenziellen Fragen verbergen sich immer auch unsere existenziellen Ängste. Möglicherweise auch vor allem. Unsere Ängste im Wirklichen und im Gegenüber zum Wirklichen sind wohl die letztlich entscheidende Triebkraft hinter jeder existenziellen Suche. Und sie sind zugleich die vorprägende Kraft sowohl für die Fragen, die sich uns stellen, als auch für die Antworten, die wir uns irgendwann geben (müssen). Bevor wir also als existenziell Suchende in der Begegnung unsere Fragen formulieren, müssen wir uns unseren Ängsten stellen, müssen wir unsere Ängste zumindest zu bezeichnen versuchen. Sonst ist unmittelbare Begegnung im existenziellen Sinne, unmittelbare Begegnung später auch im Fragen und Antworten gar nicht erst möglich, geradezu ausgeschlossen. Mit dramatischen Folgen für ein mögliches (auch politisches) Beieinander oder gar Miteinander.
Also: Noch einmal zurück, noch einmal vorgängiger hin zum existenziellen Phänomen der Angst. Angst gerade nicht begriffen als quasi-metaphysische allgemeine Größe, sondern als vormetaphysisches Phänomen, wie es sich in uns in seiner erschreckend fragmentierten und kontingenten Eigentümlichkeit unmittelbar äußert, zeigt.
Erster Nachgedanke: Unsere existenziellen Ängste können sich durchaus auch in unseren Hoffnungen und Erwartungen spiegeln.
Zweiter Nachgedanke: Existenzielle Begegnung, existenzielles Beieinander und Miteinander sind in der Religion oder in der Metaphysik gar nicht erst möglich. Man findet hier in einer vermeintlich gemeinsamen (dogmatischen oder moralischen) Antwort zusammen, die nicht mehr ist als ein brüchiger Klebstoff, der so oder so geängstigte Wesen zusammenleimt. In Religion und Metaphysik begegnet man sich immer nur vermittelt, nie unmittelbar.
Dritter Nachgedanke: Wer existenziell sucht, wird mit den Antworten, die er findet, nie glücklich sein. Er wird nicht das finden, was er zu finden gehofft hat. Weil ihm die Ausflucht in die Illusion (wozu auch Religion und Metaphysik zählen) letztlich nicht möglich ist. Diese letzte Enttäuschung des Suchenden kann aber durchaus etwas Befreiendes haben.
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