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Samstag, 11. April 2020

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Im durch Corona auferlegten Stubenarrest können Menschen dem Druck ihres Bedürfnisses nach Mitteilung und Selbstdarstellung offenbar kaum standhalten. Und auf digitalem Wege gelangt nun nahezu alles an die Weltöffentlichkeit, was unter regulären Funktionsbedingungen wenigstens halbwegs eingefangen wird (weil unter diesen Bedingungen schlechtweg kaum Zeit bleibt).
Unter anderem gehen gerade unzählige Challenges viral (wie man heute so sagt), in der Osterzeit nicht zuletzt auch christlich-religiöse Challenges. Die jüngste Herausforderung: #JesusInMir. Menschen sollen, in missionarischer Absicht, in einem kurzen Clip von ihren Gottesbegegnungen, von ihren Gotteserfahrungen berichten. Wenn man sich, halbwegs ideengeschichtlich vorgebildet, durch die verschiedenen Beiträge klickt, wiederholt sich hier eine befremdlich wirkende Beobachtung: die Beobachtung der Permanenz einer naiven schillernden Gnosis, damit zugleich einer schlichten Identifikation von Gott und Selbst, der Interpretation von Selbsterfahrungen als (reinigende) Gotteserfahrungen.

Nun ja. Meine Erfahrung ist: Wenn ein christlicher Gnostiker nicht durch entzaubernde Welterfahrung aus dem Zirkel von Selbsterfahrung und Gotteserfahrung herausgeschleudert wird, dann ist gegen seine Gnosis kein Kraut der Welt gewachsen (siehe dazu auch Nr. 78).

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