Die Begriffe Heiligkeit und Licht als leere, nicht-repräsentative Bezeichnungen Gottes erlauben eine halbwegs treffende Andeutung des Verhältnisses von Gotteswirklichkeit und Weltwirklichkeit: Die beiden Wirklichkeiten sind unvereinbar unterschieden. Gott „wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann“ (1 Tim 6,16). Zwischen den beiden Wirklichkeiten gibt es keine Ähnlichkeiten, keine Übergänge – nicht einmal der Mensch kann sich als missing link begreifen, weder in seiner Eigenschaft als Naturwesen noch in seiner Eigenschaft als Vernunftwesen (wenngleich diese Unterscheidung in der Frage, die hier beschäftigt, keine Rolle spielt). Als Existierender ist der Mensch ganz, total weltwirklich.
Gotteswirklichkeit und Weltwirklichkeit stehen jedoch nicht in einem Nicht-Verhältnis. Sie sind nicht voneinander geschieden, sondern haben etwas miteinander zu tun. Inwiefern sie miteinander zu tun haben, ist kaum überbietbar formuliert in dem Satz, der auf die mosaische Bitte antwortet, die Herrlichkeit Gottes sehen zu dürfen: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht“ (Ex 33,20). Die Gotteswirklichkeit ist dem Weltwirklichen unzugänglich und unverfügbar, sie ist kein Etwas des Weltwirklichen. Insofern ist sie dem Weltwirklichen ein Nichts, sie ist für das Weltwirkliche der Tod. Eigentlich (im nicht-metaphysischen, im nicht-religiösen, im nicht-repräsentativen Sinne) ist es aber anders: Die Gotteswirklichkeit ist das eigentliche Etwas, das eigentliche Leben. Durch diese Perspektive hindurch erweist sich jedes Etwas des Weltwirklichen, es erweist sich das Weltwirkliche selbst als das Nichtige. Es erweist sich als der Tod. Gotteswirklichkeit und Weltwirklichkeit haben nun insofern miteinander zu tun, als dass das weltwirkliche Nichts das weltwirkliche Etwas, das eigentlich das Nichtige ist, aufhebt und überwindet. Das Nichts nichtet das Nichtige. Anders formuliert: Im Wirklichwerden des Gotteswirklichen vergeht das Weltwirkliche. Im Vergehen, im Sterben des Weltwirklichen zeigt sich das Werden des Gotteswirklichen, äußert sich die Aufhebung und Überwindung des eigentlichen Todes durch das eigentliche Leben (siehe auch Nr. 316).
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