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Montag, 30. Mai 2016

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Wenn wir unser Interpretieren und damit zugleich unser Handeln sicher zu gründen versuchen, dann stehen wir vor dem, was Hans Albert „Münchhausen-Trilemma“ nennt.

Wir haben die Wahl zwischen drei Alternativen: (1) „einem infiniten Regreß, der durch die Notwendigkeit gegeben scheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert“, (2) „einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, daß man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt“, (3) „einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde“.
Also: Wir laufen begründend unendlich nach hinten, wir laufen begründend unendlich im Kreis oder wir hören einfach auf, begründend zu laufen und kommen bei irgendeiner dogmatischen Setzung zur Ruhe. Das willkürlich gesetzte Dogma, die Wahrheit als ob, scheint die einzige halbwegs erträgliche Möglichkeit zu sein, uns im chaotischen Strom des Interpretierens und Handelns zu befestigen. Auch der paulinische Ungültigkeitsglaube, auch das paulinische als ob nicht ist letztlich eine willkürlich gesetzte Gründung. Diese Gründung ist jedoch keine Weltwirklichkeitswahrheit als ob, sondern eine Gründung jenseits der Nichtigkeit aller Wahrheiten als ob. Und vielleicht ist sie die einzige Setzung, die uns im zunehmenden Chaos der Gleich-Gültigkeit aller Begründungen noch bleibt.

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