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Donnerstag, 7. Juli 2016

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Ich kenne nicht wenige religiöse Menschen, die ihrem Gott ernsthaft treu sein wollen, die ihre Existenz ganz an ihren Gott hängen. Alles, was von diesem Gott abbringen will, wird als Zweifel verbucht, den es zu besiegen gilt. Und nach dem Sieg, so die Hoffnung, wird die existenzielle Bindung an Gott umso fester.

Kann man in diese religiöse Selbsterhaltungsmechanik eindringen? Kann man etwa einen existenziell an seinem Gott hängenden Christen davon überzeugen, dass er einem Götzen dient, wenn er die christlich-theologische Überlieferung zu behaupten versucht – Schöpfungslehre, Trinitätslehre, Inkarnationslehre, Erlösungslehre und vieles mehr? Wohl kaum. Zu groß ist die Angst vor dem Verlust. Und diese Angst ist ja auch nicht unbegründet, treten doch nach dem Verlust an die Stelle des religiös konstruierten Gottes nicht selten das Nichts oder zwielichtige Ersatzgötter.
Es wäre den ernsthaft Gottestreuen unter den religiösen Menschen zu wünschen, dass sie sich von der Weltwirklichkeit irritieren lassen und auf der Suche bleiben – als religiöse Gottesdiener auf der Suche nach Gott. Vielleicht ist es gerade ihnen gegeben, jenseits ihrer Religion den unsichtbaren Gott zu finden. Und wenn sie diesem Gott dann genauso treu sind, wie zuvor den Symbolisierungen ihrer Religion (sie mögen Christen, Muslime oder Juden gewesen sein), dann wäre in der Weltwirklichkeit und für die Weltwirklichkeit schon viel gewonnen.

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