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Montag, 6. Mai 2019

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Gelegentlich erstaunt und beruhigt mich zugleich, wenn ich die wesentlichen Entwicklungen und Sprünge in meinem eigenen Denken im Denken anderer wiederfinde. Es gibt strukturelle Analogien zwischen Existierenden, ihren Interpretationen und ihrer Praxis – bei aller qualitativen und inhaltlichen Differenz.

Beispiel Wittgenstein: Sein quasi-religiöser Glaube an die Sprache der Logik, das Scheitern dieses Glaubens an der konkreten Existenz, der Übergang des Denkens zur fragmentarischen Selbstorientierung über die repräsentative und konstruktive Kraft und Relevanz der zuhandenen Sprache - einhergehend mit einer stark ausgeprägten Sprach-, sowohl Sprech- als auch Schreibunwilligkeit. Dies alles, dieses Werden ist mir allzu vertraut, wobei hier wie dort nicht eigentlich von Brüchen oder Sprüngen gesprochen werden kann, weil das Scheitern, die Verzweiflung und das Neue bereits unbewusst in der ersten Selbstorientierung, in der ersten Interpretation, im ersten Glauben angelegt sind.

Wittgenstein führt sein Denkweg hinein in ein Staunen darüber, dass die Welt überhaupt wirklich existiert. Mich selbst führt mein Denkweg hinein in ein Staunen darüber, dass die Welt immer noch wirklich existiert. Wittgenstein sichert sich selbst und seine Existenz in der Wirklichkeit des Wirklichen, ich sichere mich selbst und meine Existenz im fiktiven Aufgehoben- und Überwundensein des Wirklichseins alles Wirklichen.

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