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Samstag, 4. Mai 2019

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Seinen Tractatus will Wittgenstein ganz ähnlich begriffen und gebraucht wissen, wie Jesus seine Gleichnisse (siehe Nr. 83). Die Gleichnisse Jesu können helfen aufzuklären, dass die Wirklichkeit, die sie vermeintlich bezeichnen und repräsentieren, mit Sprache, ja, mit Symbolen überhaupt, gar nicht bezeichnet und repräsentiert werden kann. Dass ein ganz anderer, nicht auf Bezeichnung und Repräsentation hinauslaufender Wirklichkeitszugang aufgesucht werden, dass die Wirklichkeit anders angeschaut und anders gebraucht werden muss.

Die Gleichnisse Jesu sind also Werkzeuge, die, wenn sie ihr Werk verrichtet haben, beiseite gelegt werden können, ja, beiseite gelegt werden müssen. Wer die Gleichnisse Jesu dauerhaft in bezeichnender und repräsentativer Absicht gebraucht, der demonstriert damit nichts anderes, als dass er rein gar nichts begriffen hat. Dass die Gleichnisse an und in ihm rein gar nichts ausgerichtet haben.
In den Worten des Tractatus (6.54): „Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muss sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“

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