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Dienstag, 24. März 2020

608

Ein Votum des Vizegouverneurs von Texas, Dan Patrick, machte heute die Runde. Er fordert von den älteren Bürgern (also von den durch die Corona-Pandemie besonders bedrohten Gruppen) die Bereitschaft, sich notfalls für das eigene Land zu opfern. Sich selbst schließt Patrick dabei ausdrücklich ein. Im deutschen Netzt erntet er für seine Forderung einen Aufschrei der Empörung.
Abgesehen davon, dass derartige Überlegungen unvermeidbar sind, sobald die Metapher des Krieges bemüht wird: Patricks Votum legt den Finger in das nervöse Zentrum der Lage, in die die Politik sich und uns nun hineinmanövriert hat. Vielleicht nicht jetzt, aber irgendwann werden wir vor der Wahl stehen: Wollen wir den Zusammenbruch des Systems riskieren, oder sind wir zur Sicherung des Systems bereit, auf eine (unproduktive und kostenträchtige) Minderheit zu verzichten? Der Befehl des absolutistischen Ökonomismus, unter dem wir existieren, ist an dieser Stelle eindeutig. Noch hält ein anderer, moralischer Absolutismus dagegen. Aber dieser Absolutismus hat in Zeiten des Toilettenpapiermangels eine verschwindend kurze Halbwertzeit.

Ich habe kürzlich (Nr. 600) formuliert, das Corona-Virus ließe sich nicht unmittelbar moralisieren. Das bedeutet nicht, dass es gar nicht möglich wäre. In den vergangenen Tagen ist dies sogar in atemberaubender Geschwindigkeit geschehen. Nicht diejenigen stehen nun am moralischen Pranger, die die Pandemie tatsächlich oder vermeintlich verschuldet haben (hier ist eine Identifizierung ja tatsächlich kaum möglich). Am Pranger stehen jene, die sich als politisch widerspenstig erweisen, die die Ausgangsbeschränkungen der Politik missachten: #staythefuckathome.
Von diesem nun ausgemachten Feind ist der Weg nicht weit zu jenem, der sich wider alle Massenvernunft nicht bereit zeigt, zum Zwecke des Überlebens und des Wohlstandes der Vielen die notwendigen Opfer zu bringen.

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