Der Bundespräsident hat den Bürgern für ihren Weg durch die kommenden Tage eine Botschaft mitgegeben. Drei Sätze dieser Botschaft erscheinen mir bedenklich.
„Wir werden das Virus besiegen.“ Was dieser Satz eigentlich sagen soll: Wir haben die Wirklichkeit und den Lauf der Dinge im Griff. Ist aber nicht gerade dies die Vorstellung, die nun noch einmal nachdrücklich angegriffen wird? Nach dem Virus ist vor dem Virus. Und dann?
„Die Welt danach wird eine andere sein.“ Nein, die Wirklichkeit wird nach Corona – wenn es so etwas wie ein nach überhaupt geben kann – gerade so sein, wie vor Corona. Nur dem Anschein nach verfügbar. Nur dem Anschein nach formbar.
„In welcher Welt, in welcher Gesellschaft wir leben werden, hängt von uns ab.“ Ganz offensichtlich nicht. Was sich derzeit ereignet: Die Natur entzieht unseren (inzwischen globalisierten) Idealen politischer und sozialer Organisation die Voraussetzung. Offenbar ist es so: Leben geht vor Freiheit, Wohlergehen geht vor Offenheit. Wenn Leben und Wohlergehen bedroht sind (und dies nicht durch fremden Willen, sondern durch die Natur), dann sind Menschen sehr rasch bereit, ihre ideale Moralität über Bord zu werfen und stattdessen Unfreiheit und Abschließung geradezu einzufordern. Wer würde zum Beispiel in der gegenwärtigen Lage noch ernsthaft verlangen können, die Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten?
Also: Zumindest beim Bundespräsidenten keine neue Demut, keine veränderte Interpretation von Welt in Sicht. Noch nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen