Weil es erfahrungsgemäß mühsam, geradezu unmöglich ist, die Aufmerksamkeit des Gesprächs wegzulenken von den vermeintlichen oder tatsächlichen Fakten, von dem, was zu tun oder zu lassen wäre.
Weil es erfahrungsgemäß mühsam, geradezu unmöglich ist, eine andere, wesentlich wichtigere Frage in den Mittelpunkt zu rücken: die kulturanalytische Frage danach, warum und auf welchem Weg wir als (westliche, kontinentaleuropäische, deutsche) Kultur so geworden sind, wie wir sind, warum wir gerade jetzt und in der zu beobachtenden Weise so etwas wie Klimadebatten führen und warum wir uns in diesen Debatten (moralisch) so positionieren, wie wir es tun.
Warum ist dieser analytische Debattenschritt hinter Fakten, Taten und Moral zurück so schwer, geradezu unmöglich? Weil es leichter und bequemer ist, über Fakten, Taten und Moral zu streiten, als sich kritische Aufklärung zu verschaffen über sich selbst. Weil es leichter und bequemer ist, der Öffentlichkeit seine eigenen Gültigkeitsselbstverständlichkeiten vor die Füße zu werfen, als sich von seinen eigenen Gültigkeiten zu distanzieren und sie auf ihre Haltbarkeit und ihre Implikationen hin zu befragen. Gültigkeitsaktivismus in Wort und Tat ist immer leichter und bequemer, als sich selbst wenigstens halbwegs verstehen zu lernen.
Was würde kulturanalytisch aufklärende Selbstverständigung ändern – etwa an und in der Klimadebatte? Wir würden zu ahnen beginnen, dass der Gültigkeitsstreit über Fakten, Taten und Moral, dass Fakten, Taten und Moral selbst nichts, aber auch wirklich gar nichts am Lauf der Dinge ändern werden. Etwas ändern würde (möglicherweise und bloß übergangsweise) ein fundamentaler Kulturwandel, ein Wandel von der modernen säkularen Gültigkeitskultur hin zu einer nachmodernen nachsäkularen Ungültigkeitskultur.
Dieser Wandel ist allerdings voraussetzungsreich, er ist nicht machbar, nicht konstruierbar und die mit ihm sich aufdrängenden Forderungen an Interpretation und Praxis wären eher unbequem. Wer wollte angesichts derartiger Zumutungen den Stab über jene brechen, denen die Flucht in unaufgeklärten Aktivismus deutlich attraktiver erscheint.
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