Seiten

Samstag, 13. Juli 2019

509

Gegenwärtig wollen die okzidentalen Gesellschaften und Politiken gleichzeitig (und dies in globaler Dimension), was nicht gleichzeitig zu haben ist: Sie wollen den (spät)modernen Menschen, die ihm zuträglichen Formgebungen, die mit ihm gegebenen, vor allem materiellen Segnungen. Zugleich wollen sie die Begrenzung, gar Überwindung der dem (spät)modernen Menschen eigentümlichen Deformierungen und des mit ihm zugleich gegebenen, vor allem ökonomischen und ökologischen Unheils. Das geht nicht zusammen. Wer den (spät)modernen Menschen mit seinen Errungenschaften will, der muss zugleich auch dessen Abgründe und Katastrophen wollen. Die Idee einer sensibilisierten, reflexiven Moderne ist eine nette aber gefährliche Gaukelei. Diese Gaukelei zügelt nichts, die hält nichts auf, sie verhindert nichts.

Nachgedanke: Die gegenwärtige Panik vor den unvermeidlichen Abgründen des (spät)modernen Menschen, die damit einhergehende, teils dramatische Durchmoralisierung und Vergesetzlichung aller Lebensbereiche okzidentaler Gesellschaften (insbesondere in Deutschland) – eine säkular-religiöse, geradezu mittelalterliche Angst vor der Verfehlung oder gar dem Verlust des Heils, verbunden mit verzweifelten Selbstentlastungs- und Selbstrechtfertigungsbemühungen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen