Reservatives Leben ist nicht asketisches Leben, es ist aber auch nicht tugendhaftes Leben. Tugend ist der Versuch, zwischen möglichen Extremen weltwirklicher Gültigkeiten, insbesondere Triebgültigkeiten, mäßigend zu vermitteln. Tugend ist selbstdisziplinierende Gewöhnung daran, im Getriebe der Gültigkeiten Maß zu halten (verbunden mit der Hoffnung, dadurch zu einem gelingenden Leben in Gemeinschaft wesentlich beizutragen).
Reservatives Leben hält sich dagegen auch unabhängig von der Rationalität der Tugend, von den Tugendgültigkeiten der Mitte und des Maßes. Es gebraucht die Mitte gerade so, wie die Extreme. Es gebraucht die Tapferkeit gerade so, wie Feigheit und Übermut. Keine Gültigkeit ist grundsätzlich ausgeschlossen, keine Gültigkeit genießt einen Vorzug. Welche Gültigkeit im Hier und Jetzt reservativ zu gebrauchen ist, muss im Hier und Jetzt reservativ entschieden werden.
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