Das Gegenteil ist der Fall. Reservatives Leben ist gerade herausgenommen aus der Maschine der repräsentativen Sprachspiele und Rationalitäten, dispensiert vom Gehorsam gegenüber im Denken und Leben zu repräsentierenden Vorgaben oder Vorhaben. Reservatives Leben ist damit deutlich beruhigtes und zurückgenommenes, zugleich aber höchst aufmerksames, wachsames Leben. Reservative Interpretation versetzt in einen Zustand, den ich tätiges Warten nenne, einen Zustand aktiven Verharrens. In diesem Zustand werden die jeweils vorgefundenen Gültigkeiten, gerade auch alle mehr oder weniger massiv auftretenden Versuche, dieses oder jenes zu repräsentieren und damit dieser oder jener Identität entgegen zu streben, sorgfältig beobachtet, auf ihre Ursache-Wirkungs-Mechanismen hin reflektiert und dann reservativ gebraucht – also so, dass sie ihre mögliche, positive wie negative Destruktivität im Hier und Jetzt nicht oder nur reduziert entfalten können.
Der tätig wartende Gebrauch von Repräsentationen kann praktisch vieles meinen. Zunächst und wohl zumeist ein schlichtes Dabeisein und Mitsein im Hier und Jetzt. Oft wird er sich aber auch in elastischen Ausweichbewegungen äußern, in einem abrahamitischen „Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken“ (Gen 13,9). Er kann auch meinen, mitten im Sturm der irritierenden und verlockenden Repräsentationen schlechtweg stehen zu bleiben, auszuhalten und sich nicht fortreißen zu lassen. Und schließlich kann er, dies vor allem als Politik, durchaus meinen, die Schilde hoch zu nehmen, übereinander zu legen und gegen den Ansturm von Repräsentationen alles daran zu setzen, dass der Schildwall nicht aufbricht.
Reservatives Leben als tätiges Warten durch- und zerbricht die Logiken aller Erscheinungsformen repräsentativen Lebens, damit zugleich auch die Logik der wie auch immer in Erscheinung tretenden Gewaltsamkeit, die jede Repräsentation unvermeidlich mit sich führt.
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