Wenn wir sprechen, tauschen wir hörbare Schallwellen. Wenn wir schreiben, tauschen wir Zeichenfolgen, also von uns selbst entworfene und nachträglich als sinnvoll wahrgenommene Aneinanderreihungen von Buchstaben, z.B. so oder anders verlaufende Striche auf weißem Papier. Wenn wir einmal anfangen, in dieser Weise über Sprache nachzudenken, dann fallen wir unweigerlich in das, was man infiniten Regress nennt - in die unendliche Frage nach dem, was zuerst war: das Huhn oder das Ei. Wenn wir dann auch noch hinzudenken, dass die Begriffe und Sätze, die wir formulieren, jeweils mit ganz eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen hinterlegt sind, dann scheint Verständigung nahezu ausgeschlossen. Dann stellt sich sogar noch viel fundamentaler die Frage, welche Selbstüberschätzung uns jemals dazu getrieben hat, mit Sprache Wirklichkeit tatsächlich wiedergeben oder gar formen zu können. Wer Sprache reflektiert, kann nur demütig und zurückhaltend werden.
Dessen ungeachtet: Wenn sich Sprache einmal etabliert hat, dann gelingt uns die alltägliche Verständigung und damit die Organisation des Zusammenlebens erstaunlich gut. Wenn ich am Samstagmorgen beim Bäcker eine weiße Semmel bestelle, dann greift die junge Dame hinter der Theke tatsächlich in den richtigen Korb. Schwieriger wird es, wenn ich eine helle weiße Semmel bestelle. Dann muss die Dame schon genauer hinschauen. Wenn ich allerdings auch noch einen ganz bestimmten Helligkeitsgrad fordern würde, würde sie mich wohl aus dem Laden werfen. Das heißt: Unsere alltägliche Verständigung gelingt nur unproblematisch, wenn wir eine gewisse Oberflächlichkeit wahren und dabei so tun, als ob wir wüssten, wovon wir sprechen. Und wir müssen ständig eine gewisse Bereitschaft zeigen, von unseren genaueren Vorstellungen abzulassen. Denn je genauer wir unsere Vorstellungen zu formulieren versuchen und je bestimmter wir sie durchsetzen wollen, desto problematischer werden Verständigung und Zusammenleben. Das macht dauerhaft verlässliche Nahbeziehungen so schwierig und konfliktreich.
Nun ist die Verständigung über eine Semmel das eine. Die Verständigung über Menschen ist etwas anderes, zumal dann, wenn sich in dieser Verständigung unsere Sprache normativ und fordernd wendet. Wenn etwa gefordert wird, alle Menschen als solche anzuerkennen und zu respektieren, dann ist das eine Forderung, die oberflächlich und nachlässig durchaus umsetzbar und sinnvoll erscheint. Dabei wissen wir jedoch nur zu gut, dass mit dem Begriff Mensch der Einzelne niemals treffend bezeichnet werden kann. Und wir wissen, dass manche Menschen sich eher als förderlich, andere eher als schädlich erweisen, dass mit manchen Verständigung möglich ist, mit anderen wiederum nicht. So sinnvoll also Begriffe wie Menschenwürde und Menschenrecht sind: Je genauer wir hinschauen, desto weniger helfen uns diese Begriffe weiter. An irgendeinem Punkt des menschlichen Neben- und Miteinanders kommen wir an einer Entscheidung nicht vorbei: an der Entscheidung, mit wem wir uns verständigen wollen und mit wem nicht.
Nun ist die Verständigung über eine Semmel das eine. Die Verständigung über Menschen ist etwas anderes, zumal dann, wenn sich in dieser Verständigung unsere Sprache normativ und fordernd wendet. Wenn etwa gefordert wird, alle Menschen als solche anzuerkennen und zu respektieren, dann ist das eine Forderung, die oberflächlich und nachlässig durchaus umsetzbar und sinnvoll erscheint. Dabei wissen wir jedoch nur zu gut, dass mit dem Begriff Mensch der Einzelne niemals treffend bezeichnet werden kann. Und wir wissen, dass manche Menschen sich eher als förderlich, andere eher als schädlich erweisen, dass mit manchen Verständigung möglich ist, mit anderen wiederum nicht. So sinnvoll also Begriffe wie Menschenwürde und Menschenrecht sind: Je genauer wir hinschauen, desto weniger helfen uns diese Begriffe weiter. An irgendeinem Punkt des menschlichen Neben- und Miteinanders kommen wir an einer Entscheidung nicht vorbei: an der Entscheidung, mit wem wir uns verständigen wollen und mit wem nicht.
Schöner Gedanke: Ein Gespräch über Semmeln als hermeneutische Aufgabe ... oft werden aber nicht einmal in Fachgesprächen, geschweige denn in öffentlichen Diskursen, Begrifflichkeiten und Kategorien eindeutig unterschieden oder bestimmt. Was oberflächlich als Kommunikation erscheint, ist nur ein Aneinandervorbeireden, bei der unterschiedliche Weltanschauungen nur geringe Schnittmengen bilden. Und der Zuhörer schafft - ganz im Sinne von Ecos These vom "offenen Kunstwerk" - aus den gehörten Phrasen noch einmal seine eigene Wirklichkeit? Ist dann Kommunikationswillen oder -unwillen der richtige Ansatz, um den Grad der Intersubjektivität abzugleichen? Ach, wenn es nicht immer so mühsam wäre herauszufinden, wann sich Verständigung lohnt. Oder habe ich schon wieder etwas falsch verstanden, statt das Gefühl entscheiden zu lassen ...?
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