Donnerstag, 27. April 2017
281
Die heutige Tageslosung – eine dieser eindrücklichen biblischen Verheißungen, an denen sich der religiös Glaubende aufrichtet und festhält: „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht (Jes 43,18/19)?“
Mittwoch, 26. April 2017
280
Gestern hat sich für mich ein beruflicher Weg verschlossen, den ich gerne gegangen wäre. Da ist also ein starker weltwirklicher Wunsch nicht in Erfüllung gegangen, die (durchaus gut begründete) Erwartung einer kommenden Weltwirklichkeit für mich ist enttäuscht worden.
Montag, 17. April 2017
279
Der formale moralische Universalismus Kants (Kategorischer Imperativ) muss wohl zunächst vor allem als Warnung begriffen werden: Bedenkt die Folgen materialer Universalisierungen. Bei Licht betrachtet können wir sie zuletzt nicht wollen.
Tatsächlich aber erzeugt der Kantische Formalismus, sobald er auf Wirklichkeit trifft, nichts anderes als universale Materialismen. In Anlehnung an Kierkegaards Annahme, Luther würde angesichts der historischen Erzeugnisse der reformatorischen Bewegung wohl das Gegenteil von dem behaupten, was er im 16. Jahrhundert behaupten musste, lässt sich vielleicht annehmen, dass Ähnliches auch für Kant gelten könnte.
Donnerstag, 13. April 2017
278
Einer der Texte, die mich bleibend beeindruckt haben und an die es gelegentlich zu erinnern gilt, ist der Essay Zwischen den Zeiten von Friedrich Gogarten (1920). Wenn man diesen Text ernster nimmt, als ihn die Theologie der Krise selbst genommen hat, wenn man gewissermaßen bei ihm stehen bleibt und nicht über ihn hinauszuschreiten versucht, dann ist er (nach Nietzsches tollem Menschen) das wohl ergreifendste Manifest der nach-religiösen und nach-metaphysischen Zeit (in die wir heute noch tiefer hineingerissen sind, als es 1920 der Fall war).
Mittwoch, 12. April 2017
277
Habe mir für die nächsten Tage zwei Bücher von Badiou vorgenommen (man muss bei Badiou den neo-marxistischen Duktus und das maoistische Gehabe übersehen können – dann kann er sehr anregend sein).
276
Gebrauche die Wirklichkeitsabhängigkeit des Anderen so, dass sie dir selbst zum Wachstum in der Wirklichkeitsunabhängigkeit dient. Das ist einer der Schlüssel zur Überwindung des Bösen mit Gutem (Röm 12,21).
Dienstag, 11. April 2017
275
Nachtrag zu Nr. 273: Ich bin noch nicht so recht zufrieden mit der Pointierung meiner eigenen Ergänzung der Interpretation Webers.
Montag, 10. April 2017
274
Gerade in Gerhard Ebelings „Luther und der Anbruch der Neuzeit“ entdeckt: „Ohne das rechte Verständnis von Sünde versinkt die Theologie überhaupt in Moralismus. Darauf lief in der Aufklärung und läuft heute wieder eine schlechte Anpassung an die Neuzeit hinaus. Das bedeutet aber nicht nur Verrat an Luther, sondern auch Verrat an der Neuzeit.“ Kürzer kann ein treffendes Urteil über die „öffentliche“ EKD-Theologie kaum gefasst werden.
Nachsatz: Meine Gewohnheit, gute Texte nach Jahren noch einmal in die Hand zu nehmen, erweist sich immer wieder als fruchtbar.
273
Unter innerweltlicher Askese (insbesondere in ihrer puritanischen Erscheinungsform) versteht Max Weber zunächst die weitreichende Wirklichkeitsdistanzierung im Sinne einer radikalen Zurückweisung jeder Kreaturvergötterung. Hinter dieser Zurückweisung verbirgt sich die puritanische (calvinische) Annahme einer unendlichen ontologischen Differenz zwischen Gotteswirklichkeit und Weltwirklichkeit, zugleich die Annahme einer unendlichen existenzialen Differenz zwischen Gott und Mensch.
Donnerstag, 6. April 2017
272
In den vergangenen Tagen denke ich immer wieder über die Figur des Gastes nach – im Sinne Paul Gerhardts Gast auf Erden. Mit Gerhardt hat der Gast im Weltwirklichen keinen Stand, ist also nirgendwo weltwirklich befestigt, ist keiner Ordnung unterworfen, gehört zu keiner spezifischen gesellschaftlichen Schicht oder Gruppierung. Der Gast will treiben sein Leben durch die Welt, denkt aber gar nicht daran, zu bleiben in diesem fremden Zelt. Denn diese Herberg ist zu böse und sie ist nicht sein rechtes Haus.
271
Wenn wir Ethik sagen, meinen wir in aller Regel repräsentative Ethik. Ethik in diesem Sinne versucht, einen Maßstab für verantwortliches Handeln im Hier und Jetzt an die Hand zu geben, indem es ein zu Realisierendes, ein in der Weltwirklichkeit zu verwirklichendes Gut als Norm formuliert.
Montag, 3. April 2017
270
„Der Löwe brüllt, wer sollte sich nicht fürchten? Gott redet, wer sollte nicht Prophet werden?“ (Amos 3,8).