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Mittwoch, 24. Juli 2024

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Am vergangenen Sonntagabend in Köln, zwischen Hauptbahnhof und Heumarkt, der inzwischen gewohnte Weg durch die Altstadt. An diesem Abend ist alles ein wenig anders: Ich muss durch die menschlichen, hier und da allzumenschlichen Residuen der ColognePride 2024 hindurch.

Ich trage Flecktarn mit deutschen Hoheitszeichen, und kurz denke ich darüber nach, wie ich mit diesen Symbolen wohl im Pride-Kontext wahrgenommen werde. Auch, ob und wie sich diese Symbole in diesem Kontext wohl verorten lassen.
Spannender ist für mich aber die messianische Perspektive, gerade auch im Blick auf die demonstrative Selbstbehauptung der unter dem Pride-Begriff sich sammelnden, abweichenden Anderen.
Durch die messianische Wirklichkeitsanschauung hindurch habe ich Verständnis für jede Irritation am Allgemeinen. Ich habe Verständnis insbesondere auch für den Versuch, sich der Macht und Dominanz des Allgemeinen zu entziehen. Mein Verständnis gründet dabei aber in meinem Zweifel am Allgemeinen überhaupt. Es gibt das Allgemeine zwar als wirkmächtiges Ideal, nicht aber als mögliche Wirklichkeit. Insofern ist jedes Allgemeine, ist jedes Universale der Wirklichkeit nie gemäß. Gleiches gilt für das, was wir als Identität bezeichnen. Jeder ist immer und immer neu anders. Im Gegenüber zu einem idealen Allgemeinen, insbesondere aber auch im Gegenüber zu sich selbst, im Gegenüber zu seiner eigenen (vermeintlichen) Identität.
Gerade hier setzen meine Anfragen an die Pride-Bewegung ein: Was dort zelebriert, was dort schräg, manchmal verstörend schrill symbolisiert wird, verbleibt nach wie vor im Schema des Gegners. Es verbleibt im Schema des Allgemeinen, weil Raum geschaffen werden soll für das bislang ausgeschlossene Andere im Allgemeinen, in einem neuen Allgemeinen der Gleich-Gültigkeit. Und es verbleibt im Schema der Identität, weil Raum geschaffen werden soll für das Andere als Identität, also nach wie vor für Identitäten als Möglichkeit (selbst jene unter den Prides, die sich einer spezifischen Identifikation zu entziehen versuchen, verbleiben ja mit der Behauptung ihrer Nicht-Identität als Identität in der Identitätsfalle).
Gerade weil aber die Pride-Bewegung dem Schema ihres Gegners folgt, so meine Vermutung, wird sie nicht das erreichen, wonach sich wohl nicht wenige innerhalb dieser Bewegung bewusst oder unbewusst sehnen: eine Entmachtung des Allgemeinen und eine Entmachtung der Identität.

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