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Mittwoch, 17. Januar 2018

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Wir können wissen, dass Evidenz in den empirischen Sozialwissenschaften über das Einzelne nichts aussagt, weniger noch als denkend und in heuristischer Absicht gebildete Idealtypen. Wir können wissen, dass Evidenz in den empirischen Sozialwissenschaften auch über das Allgemeine bloß scheinbar Wahres aussagt. Das allgemein Wahre empirischer Sozialwissenschaften lebt immer von unzähligen Abstraktionen und Verkürzungen, vor allem aber auch von der gewagten Annahme, Menschen wüssten tatsächlich und könnten tatsächlich angeben, was sie wirklich treibt.
Obwohl wir nun wissen können, dass Evidenz in den empirischen Sozialwissenschaften weder über das Einzelne noch über das Allgemeine wirklich Wahres aussagt, dass sie also das Einzelne wie das Allgemeine weder aufklären noch beraten kann, so sind wir heute doch überraschend stark geneigt, dieser Evidenz unser Vertrauen zu schenken, uns darauf zu stützen und uns von ihr durch die Wirklichkeit führen zu lassen. Was wir dabei verlieren, ist die Aufmerksamkeit für die wirkliche soziale (einzelne und allgemeine) Wahrheit abseits oder jenseits empirischer sozialer Wahrheiten, und wir verlieren die Fähigkeit, uns über diese Wahrheiten selbständig denkend zu orientieren. Nimm einem empirischen Sozialwissenschaftler sein Datenpaket und seinen beeindruckenden mathematischen Methodenapparat. Er wird unmittelbar blind und hilflos.

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