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Mittwoch, 25. Dezember 2019

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Noch einmal – nach der erneuten Erfahrung eines erschreckend naiven, evangelikal katholisierenden Gottesdienstes am sogenannten Heiligen Abend (welcher Abend kann überhaupt heilig, welcher kann nicht heilig sein?): Stark verkürzt gesagt, ist die Weltwirklichkeit in sich widersprüchlich. In dieser Widersprüchlichkeit ist sie selbstdestruktiv. Die Widersprüchlichkeit der Weltwirklichkeit lässt sich nicht auflösen, das Ende ihrer Selbstdestruktivität lässt sich nicht abwenden. Wenn dem messianischen Ereignis – von der Krippe bis zum Grab – überhaupt ein repräsentativer Gehalt gegeben werden darf, dann ist dies nicht etwa die (christliche) Leugnung, sondern die ursprünglich jesuanische Bekräftigung dieser Einsicht.

Die Widersprüchlichkeit der Weltwirklichkeit lässt sich nicht auflösen, das Ende ihrer Selbstdestruktivität lässt sich nicht abwenden. Widersprüchlichkeit und Selbstdestruktivität des Weltwirklichen lassen sich allenfalls im Übergang handhaben. Handhabung meint jedoch nicht, Gesetze, also etwa Moral und Recht zu exekutieren – also gerade das nicht, was auch in evangelikal katholisierenden Gottesdiensten gerne eingefordert wird (oft verbunden mit der Illusion eines als Möglichkeit behaupteten gelingenden Lebens). Der Exekution von Gesetzen ist eigentümlich, dass sie die Wirklichkeit unter Harmonisierungsdruck setzt und damit letztlich nichts anderes bewirkt als die Dynamisierung und Beschleunigung der Selbstdestruktion. Handhabung meint reservativen Gebrauch von Wirklichkeit, meint weltunabhängige Weltlichkeit. Handhabung in diesem Sinne rettet die Welt nicht, löst nichts auf und wendet nichts ab. Und doch kann man sagen, dass wir der Welt in ihrer Widersprüchlichkeit und Selbstdestruktivität nichts besseres zukommen lassen können, als ihren reservativen Gebrauch.

Frohe Weihnachten!

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