Es mag sein, dass es ein verbreitetes Bewusstsein dafür gibt, dass unsere geistigen, praktischen und materiellen Behausungen brüchig und flüchtig sind. Es stellt sich jedoch die Frage, in was Menschen durch dieses Bewusstsein hineingetrieben werden: apokalyptische Panik, hedonistische Gier, fatalistische Apathie, gnostische Askese, konstruktivistische Verblendung – um nur einige von vielen Welthaltungen zu nennen, die sich schon immer, heute vielleicht vermehrt und schillernder beobachten lassen. Sämtliche Welthaltungen dieser Art sind allerdings letztlich nichts anderes als Erscheinungsformen der (bisweilen durchaus religiös verklärten) Wirklichkeitsbindung oder gar Wirklichkeitsverfallenheit.
Wenn ich von der Entmachtung unserer geistigen, praktischen und materiellen Behausungen spreche, dann meine ich nicht deren Destruktion. Dann meine ich die interpretatorische und praktische Befähigung dazu, diese Behausungen als Provisorien begreifen und handhaben zu lernen. Als treffend erscheint mir hier das Bild des Zeltes. Es wäre viel gewonnen, wenn wir unsere Behausungen als Zelte anschauen würden, in denen wir notdürftig und übergangsweise Schutz finden, die wir dabei jedoch – unablässig den notwendigen Aufbruch erwartend – stets auch abzubrechen bereit und in der Lage sind.
Die von mir vorgestellte, prä-kulturelle Haltung im Weltwirklichen könnte eine gewisse Ähnlichkeit haben mit der muslimischen Figur der fiṭra (فطرة). Hier müsste eine eingehendere theologische Auseinandersetzung folgen. Entscheidend für diese Auseinandersetzung wären allerdings zwei Voraussetzungen: Die von mir vorgestellte Haltung ist nicht der Natur zu entnehmen, sie muss vielmehr interpretierend, glaubend errungen und gegen die Natur festgehalten werden. Und: Der vorgestellte Gott (verstanden als die einzige nicht-brüchige, nicht-flüchtige Behausung) darf nicht mehr als setzender, vergültigender Gott (Schöpfer), er muss vielmehr als verungültigender, als aufhebender und überwindender Gott begriffen werden. Ich bin mir nicht sicher, ob sich für diese beiden Voraussetzungen im muslimischen Denken zumindest Analogien finden oder ob sie sich dort irgendwie verankern lassen. Es käme auf einen Versuch an.
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