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Montag, 26. November 2018

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Bohemian Rhapsody angeschaut. Mit gutem Grund hatte ich angenommen, mich diesem Film alleine stellen und ohne Begleitung ins Kino gehen zu müssen. Ich war davon ausgegangen, dass der Film manches aufwühlen würde. Und so war es dann auch.

In kaum etwas anderem scheint sich mir meine natürliche Identität, meine natürliche Bedürfnis- und (wenn man so will) meine natürliche Interpretationsstruktur so ungebrochen widerzuspiegeln, wie in der Musik von Queen. In den Kompositionen dieser Band finden meine Erwartungen an die Welt und meine Erfahrungen mit der Welt ihren deutlichsten Ausdruck. Nicht in ihren späten Kompositionen, die ins Allgemeine, teils ins Mystische, teils ins Belanglose kippen. Sondern in jenen Kompositionen, die sich noch als Ausnahme begreifen. Jede Platte ein Ereignis. A Night at the Opera, A Day at the Races, News of the World, Jazz und mit Einschränkungen auch noch The Game.
Bohemian Rhapsody hat mir eindrücklich ins Bewusstsein zurückgerufen, dass Reservation sich fundamental unterscheidet von stoischen oder asketischen Wirklichkeitshaltungen. Reservation ist keine (verächtliche) innere Abkehr und Distanzierung von Glück und Leid der Weltwirklichkeit (in unserer eigenen Person). Reservation setzt vielmehr die vollumfängliche, existenzielle Teilhabe an Glück und Leid dieser Welt voraus. Diese existenzielle Teilhabe ist dabei getragen vom stillen Bewusstsein des als ob nicht. Das als ob nicht ist gewissermaßen der cantus firmus reservativen Denkens und Lebens. Das meint 1 Kor 7,29–31.

Erster Nachgedanke: Bei Bonhoeffer findet sich eine erste, noch religiöse Formulierung dessen, was hier angedeutet ist. „Gott und seine Ewigkeit will von ganzem Herzen geliebt sein, nicht so, dass darunter die irdische Liebe beeinträchtigt oder geschwächt würde, aber gewissermaßen als cantus firmus, zu dem die anderen Stimmen des Lebens als Kontrapunkt erklingen“.

Zweiter Nachgedanke: Die klugen und die törichten Jungfrauen in Mt 25,1–13 unterscheiden sich nicht dadurch, dass die einen wachen, die anderen aber einschlafen. Alle schlafen ein. Was die klugen von den törichten Jungfrauen scheidet, ist das Öl, das sie mit sich führen. Wir dürfen und sollen ganz in der Wirklichkeit sein, dürfen und sollen ganz Mensch sein. Was uns aber nicht fehlen darf, ist der Ölvorrat des als ob nicht.

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