Seiten

Mittwoch, 5. Dezember 2018

423

Hatte kürzlich die Druckfahnen des Jahrbuchs Innere Führung 2018 auf dem Tisch – es erscheint in den nächsten Tagen. Darin meine Kritik an Uwe Hartmanns gutem Soldaten, zugleich auch eine pointierte Antikritik des von mir sehr geschätzten Historikers Klaus Naumann.

Naumann setzt stark und differenziert ein, gerät dann aber auf die schiefe Bahn einer wenig treffsicheren Polemik. Sein (allzu verständlicher) Fehler: Er versucht mich zu fassen, will mich einem ihm bekannten Denken zuordnen, will benennen, welches Denken ich repräsentiere. Er setzt also voraus, mein Denken sei ein repräsentatives. Das ist natürlich grundverkehrt. In seiner Unsicherheit glaubt Naumann, mich einer politisch konservativen (rechten) Denktradition zuordnen zu müssen (wobei er deutlich zu spüren scheint, dass das nicht bruchlos möglich ist). Dieser Irrtum ist einerseits amüsant, andererseits aber auch durchaus gefährlich (für mich).

Im Zentrum meiner Kritik und der Antikritik Naumanns steht das (deutsche) Verständnis des Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Wollte man meine Kritik tatsächlich repräsentativ fassen, so müsste man sie in die Tradition von Dekonstruktion und Poststrukturalismus hineinstellen (wofür ich in meinen Texten immer wieder deutliche Spuren hinterlasse). Sie ist (zugegeben: radikale) Konsequenz eines Denkens im Anschluss an Jacques Derrida und insbesondere Giorgio Agamben (nebenbei: Weder Derrida noch Agamben stehen, obwohl sie Martin Heidegger und Carl Schmitt als Denker ernst nehmen und zitieren, in dem Verdacht, Konservative oder gar Neu-Nazis zu sein).

Um es auf den Punkt zu bringen: Im Anschluss an Agambens Kritik der Aufhebung des Menschseins im Bürgersein (die er von Hannah Arendt übernimmt), kritisiere ich die Aufhebung des Soldaten im Staatsbürger in Uniform. Der Soldat als Mensch und der Beruf des Soldaten dürfen nicht als aufgehoben begriffen werden in Idee und Konstrukt des Staatsbürgers in Uniform. Erst recht nicht, wenn dem Soldaten als Menschen und der soldatischen Berufspraxis zugleich das normativ begriffene Adjektiv „gut“ beigegeben wird. So, wie der Mensch nicht Mensch ist, insofern er Bürger ist, so ist der Soldat nicht Soldat, insofern er Staatsbürger in Uniform ist. „Gut“ ist der Mensch nicht (nur) dann, wenn er sich in Denken und Praxis als guter Bürger erweist. Und „gut“ ist der Soldat nicht (nur) dann, wenn er sich militärisch den Mechanismen des staatsbürgerlichen Systems unterwirft. Menschsein meint (auch) Anderes als Bürgersein. Soldatsein meint (auch) Anderes als uniformiertes Staatsbürgersein.

Gerade darauf zielen alle Reformvorschläge, die ich in den vergangenen Jahren zur Frage des Staatsbürgers in Uniform formuliert habe: Das Andere des Soldatseins jenseits des Staatsbürgerseins soll neu möglich und wirklich werden – und dies ausdrücklich, so könnte man zugespitzt sagen, in pazifistischer Absicht. Allerdings: Das System wehrt sich. Es kann ja auch nicht anders.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen