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Donnerstag, 22. November 2018

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Ein Freund schickt mir eines dieser viralen WhatsApp-Videos: Zehn Teilnehmer eines Seminars stehen in einem kleinen Raum im Halbkreis, im Hintergrund an der Wand hängt ein großes Kreuz. Der Leiter der Gruppe fordert einen jungen Mann dazu auf, sich in die Mitte auf einen Stuhl zu stellen und die Augen zu schließen. Mit sonorer Stimme und beruhigenden Worten erklärt er, es gehe bei der folgenden Übung um Vertrauen. Er werde gleich bis drei zählen, und dann solle sich der Mann einfach fallen lassen. Die Gruppe werde ihn auffangen.
Die Gruppe tritt hinter dem Mann zusammen, streckt die Arme aus, um eine sichere und weiche Landung vorzubereiten. Der Gruppenleiter zählt bis drei, der junge Mann lässt sich fallen. Nach vorne. Panik in den Augen des Leiters. Sein Aufschrei und sein hektischer Sprung können nichts mehr retten. Der junge Mann schlägt ungebremst mit dem Gesicht voran auf den Boden.
Ein tragisch-komisches Video. Für mich spontan ein treffendes Symbol für das Vertrauen in die Verheißungen des religiösen, des sichtbaren Gottes. Wortreich verspricht dir dieser Gott, er werde da sein, wenn du ihn brauchst. Er werde dich auffangen, wenn du fällst. Du lässt dich blindlings fallen. Die Folge: Eine gebrochene Nase und zertrümmerte Zähne. Dein Fehler: Der religiöse, sichtbare Gott bindet seine Verheißung an die Erwartung, dass Du mit geschlossenen Augen in die richtige Richtung fällst. Und dabei verrät er Dir natürlich nicht, wo er gerade steht.

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