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Samstag, 24. Februar 2018

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Ein weiterer Versuch, das reservative Anliegen aufzuklären: Gesetzt sei der Satz, dass wir neben Gott keine anderen Götter haben sollen, dass für uns nichts Gott sein soll, außer Gott allein. Gesetzt sei auch Luthers Satz, dass alles, woran wir unser Herz hängen, woran wir uns binden und wovon wir uns bestimmen lassen, unser Gott ist.

Daraus folgt, dass wir allein an Gott unser Herz hängen, dass wir uns allein an ihn binden und von ihm bestimmen lassen sollen. Was oder wer aber ist Gott? Das Christentum wählt den einen einzigen Gott, der nicht unmittelbar identisch ist mit der Weltwirklichkeit, der sich aber in bestimmten Formen und Substanzen der Weltwirklichkeit repräsentativ finden lässt. Damit eröffnet es dem Menschen die Möglichkeit, Gott im Weltwirklichen zu finden. Der Mensch darf sein Herz an repräsentative Formen und Substanzen des Vergangenen, des Gegenwärtigen oder des Zukünftigen hängen. Der christliche Gott steht und fällt also mit dem repräsentativen Paradigma.
Gilt nun der Satz, dass Gott sich weder formal noch material im Weltwirklichen repräsentieren lässt, so werden Inhalt und Relevanz des Begriffes Gott unbestimmbar. Was soll es dann noch heißen, sein Herz allein an Gott zu hängen? Die Gnosis wählt die Repräsentation der Negation: Das Herz hängt an einem Gegengott. Der Atheismus wählt die Repräsentation der Immanenz: Das Herz hängt an vielen Weltgöttern. Der Nihilismus wählt die Repräsentation des Selbst: Das Herz hängt an der Macht.
Gnosis, Atheismus und Nihilismus verbleiben im repräsentativen Paradigma. Erweist sich das repräsentative Paradigma aber als nicht mehr haltbar, dann wird der Raum eng für Gott, dann bleiben weder Formen noch Substanzen, an die wir unser Herz hängen können. Und gerade in diesem Ab-Grund der Repräsentation setzt der reservative Glaube ein. Er hängt sich ausschließlich an einen einzigen Gott, der weltwirklich nicht mehr repräsentierbar ist, der vielmehr Zuflucht bietet vor allen weltwirklichen Repräsentationen, bei dem das repräsentative Bedürfnis aufgehoben und überwunden ist.

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