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Mittwoch, 11. Januar 2017

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Gut ist nicht immer das, was allgemein als gut gilt, ist nicht immer das moralisch oder rechtlich Gute, auch nicht immer das mit den Mitteln normativer Ethik ermittelte Gute. Gut kann auch das sein, was allgemein als Böse gilt. Böse ist nicht immer das, was allgemein als böse gilt, ist nicht immer das moralisch oder rechtlich Böse, auch nicht immer das mit den Mitteln normativer Ethik ermittelte Böse. Böse kann auch sein, was allgemein als Gut gilt.

Es ist also besonders dann Wachsamkeit geboten, wenn ein allgemeines Gutes als solches auftritt, besonders dann, wenn dieses allgemeine Gute Massen hinter sich sammelt. Gerade dieses Gute könnte das Festkleid des Bösen sein. So gesehen ist selbstverständlich auch Wachsamkeit geboten gegenüber allem, was gegenwärtig als Gutes auftritt, insbesondere gegenüber dem Guten von Menschenwürde und Menschenrecht.
„Auch die alten Christen“, so Max Weber, „wussten sehr genau, dass die Welt von Dämonen regiert sei, und dass, wer mit der Politik, das heißt: mit Macht und Gewaltsamkeit als Mitteln, sich einlässt, mit diabolischen Mächten einen Pakt schließt, und dass für sein Handeln es nicht wahr ist: dass aus Gutem nur Gutes, aus Bösem nur Böses kommen könne, sondern oft das Gegenteil. Wer das nicht sieht, ist in der Tat politisch ein Kind.“ Ich würde formulieren: Alles Urteilen, Entscheiden und Handeln in der Weltwirklichkeit ist ein Umgang mit diabolischen Mächten, mit unpersönlichen würfelnden Weltgöttern (wobei eine fiktive Personalisierung bisweilen recht hilfreich sein kann). Und für dieses Urteilen, Entscheiden und Handeln ist schlechtweg nicht wahr, dass Gutes nur gut ist und nur Gutes wirkt oder das Böses nur böse ist und Böses wirkt. Oft muss man mit dem Gegenteil rechnen. Wer das nicht sieht, ist im Gebrauch der Wirklichkeit ein Kind. Schlimmer noch: Wer das nicht sieht, gebraucht die Wirklichkeit nicht, sondern wird von ihren diabolischen Mächten gebraucht.

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