Seiten

Montag, 16. Januar 2017

224

Es gibt eine (Sehn)Sucht nach Schließung, nach Gegenwärtigkeit oder Zukünftigkeit eines Unveränderlichen im Veränderlichen. Diese (Sehn)Sucht ist geboren aus der Angst vor dem immer kommenden (drohenden) Anderen. Politisch äußert sich diese Sucht etwa in Nationalismen, aber durchaus auch in den Vergleichgültigungsversuchen, die mit dem Instrumentarium des Menschenrechts unternommen werden. Wenn einst alles gleich sein wird, dann wird auch der, die oder das Andere überwunden sein.

Es gibt allerdings auch eine (Sehn)Sucht nach Öffnung und Offenheit, nach unausgesetzter Veränderung. Diese (Sehn)Sucht ist geboren aus der Angst vor Stilllegung und Bindung an Bestehendes oder Gegebenes. Diese Angst äußert sich als rastlose Unzufriedenheit, als unstillbares Verlangen nach einem immer wieder aufs Neue kommenden und damit nie ankommenden Anderen. Das ist die Eigentümlichkeit einer Politik der Dekonstruktion.
Kritik dieser Politik muss nicht dort ansetzen, wo sie uns der sicheren Gründe von Herkunft und Zukunft beraubt. Über die Politik der Dekonstruktion müssen wir deswegen hinausschreiten, weil sie nur scheinbar auf das Hier und Jetzt verweist. Tatsächlich lässt sie jedes Hier und Jetzt in ihrer Sucht nach dem Anderen unmittelbar madig erscheinen, reißt uns aus jedem Hier und Jetzt fort und zwingt zur bindungslosen Bindung an ein immer flüchtiges Anderes. Politik der Dekonstruktion ist das stets unruhige aber im eigentlich jedes Hier und Jetzt.

Anmerkung: Reservative Politik weiß um die Notwendigkeit nicht nur von Öffnung und Offenheit, sondern auch um die Notwendigkeit von Schließung und Stilllegung. Reservative Öffnungen und Schließungen ereignen sich jedoch außerhalb der herkömmlichen, repräsentativen Dialektik von Gesetz und Evangelium, von Gericht und Gnade.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen