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Sonntag, 2. April 2023

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Vor einigen Tagen habe ich die Begutachtung einer Bachelorarbeit zu moralischen Verletzungen abgeschlossen. Das Phänomen moral injury wird gerade auch in militärischen Kontexten zunehmend relevant. Auch dieses Phänomen ist symptomatisch für die Lage der Generation, die bald genötigt sein wird, öffentliche Verantwortung zu übernehmen. Einige kurze diagnostische Andeutungen.

Die künftig verantwortliche Generation wächst heran unter den Bedingungen einer Dominanz des Öffentlichen. Der Wirklichkeitszugang, das Wirklichkeitsbild dieser Generation ist wesentlich geprägt durch das Öffentliche, also durch das aktuell Allgemeine, das Mittel- und Vermittelbare. Das aktuell Allgemeine dominiert diese Generation im Raum der Betreuungs- und Ganztagseinrichtungen, in denen sie ihre Kindheit und Jugend verbringt. Es dominiert sie zugleich im Raum der sogenannten sozialen Medien – in einem Raum, dem man kaum noch entfliehen, dessen Dominanz, dessen prägender Kraft man sich kaum noch entziehen kann.
Den Kräften des Öffentlichen wirken kaum noch Kräfte entgegen. Eine Einordnung, insbesondere eine Relativierung des Öffentlichen bleibt aus. Techniken, öffentliche Kräfte zu kanalisieren oder gar abzuleiten, werden nicht mehr vermittelt. Es fehlen die erforderlichen Räume: Räume des Verborgenen, des Einzelnen, des Unmittel- und Unvermittelbaren. Der künftig verantwortlichen Generation sind diese Räume fremd geworden. Ihr ist vielleicht kaum noch bewusst, dass es solche Räume geben darf, dass es sie geben muss.

Die Wirklichkeitswahrnehmung der künftig verantwortlichen Generation ist durch die prägende Dominanz des Öffentlichen doppelt gefiltert: Sie ist moralisch gefiltert, und sie ist technisch gefiltert. Die öffentlich dominierte Generation erwartet, dass das Wirkliche dem moralisch oder technisch erzeugten Bild des Wirklichen entspricht. Trifft diese Generation nun auf die wirkliche, ungefilterte Wirklichkeit, dann bleiben ihr im Grunde genommen nur zwei Optionen: Entrüstung oder Depression.

Die Generation Public ist entweder eine entrüstete oder eine depressive Generation, und beide Weisen, auf die Konfrontation mit dem Wirklichen zu reagieren, sind Erscheinungsformen der Wirklichkeitsflucht. Sich dem Wirklichen zu stellen, das Wirkliche als solches anzuerkennen und zu handhaben, ist keine Option mehr. Weil die Räume, in denen man aufwachsen muss, um dem Wirklichen tapfer ins Auge blicken zu können, leer oder nicht mehr zuhanden sind. Die Räume des Verborgenen, des Einzelnen, des Unmittelbaren, des Unvermittelbaren.

Nachbemerkung: Nicht ohne Grund haben Bemühungen um Resilienz Konjunktur, dies im Therapeutischen wie im Sozialen. Man wird hier allerdings über symptomatische Behandlungen nicht hinauskommen. Weil eine kräftige Wurzel des Übels nicht angefasst, vielfach noch nicht einmal gesehen wird: die Dominanz des Öffentlichen.

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