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Freitag, 7. April 2023

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Unter meinen eigenen religiösen Voraussetzungen stand ich im Grunde genommen über Jahrzehnte im Bann von Idealen, die ich selbst als Verheißung begriffen habe. Dies bis zu jenem Moment meines Lebens, in dem sich so etwas wie eine post-kantische kopernikanische Wendung ereignet hat, in dem ich alle Verheißungen und Ideale habe fahren lassen (müssen). Im Moment einer interpretatorischen Wendung vom religiösen und metaphysischen als ob hin zum post-religiösen und post-metaphysischen als ob nicht. Einer Wendung, die in einer prä-kulturellen Pointierung ihre letzte Aufklärung erfährt (siehe Nr. 740, 743, 744, 793, 798).
Heute stelle ich mir bisweilen die selbstprovozierende Frage, was wäre, wenn die als Verheißung begriffenen Ideale künftig doch noch weltwirklich würden. Würde sich dann die mittlerweile verworfene religiöse oder metaphysische Interpretation nachträglich doch noch als wahr erweisen?

Gedanke am Rande: Die kopernikanischen Wendungen, die uns Kant im Wissen, im Tun und im Hoffen zumutet, lassen sich mit guten Gründen als Umdeutungen religiöser Motive begreifen. Kants Wendungen wirken immer entzaubernd und aktivierend zugleich. Dabei ist kaum eine andere Wendung so wirkungsreich, wie die Wendung der religiösen Verheißung zur regulativen Idee.

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