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Freitag, 17. Februar 2023

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Kulturen nehmen immer auch normativ Einfluss auf den Willen des Einzelnen. Unter Bedingungen der Kultur schwindet die Kunst des Wollens. Weil Kultur die Selbstorientierung des Einzelwillens durch allgemeine praktische Selbstverständlichkeit, weil Kultur die Selbststärke des Einzelwillens durch allgemeine soziale Einbettung verdrängt und ersetzt. Und doch ist der normierende Ersatzwille der Kultur traditionell immerhin ein Wille gewesen – ein Wille, der es dem Einzelnen ermöglicht hat, sich selbst zu handhaben, der dem Einzelnen Mittel bereit gestellt hat, seine eigene Natur einschließend oder ausschließend zu regulieren und so zu kanalisieren.

Das Problem der werdenden Kultur unserer Gegenwart ist nun dieses, dass sie im Grunde genommen nur noch eine einzige Norm kennt: die Norm der Gleich-Gültigkeit jeder beliebigen Natur jedes beliebigen Einzelnen. Normativ ausgeschlossen werden unter den Bedingungen dieser Kultur nicht mehr bestimmte natürliche Gültigkeiten, sondern bloß noch jene Einzelnen, die die normativ behauptete Gleich-Gültigkeit aller natürlichen Gültigkeiten nicht anzuerkennen bereit sind.

Unter den Bedingungen dieser Kultur geht die Kunst des Wollens, geht das Wollenkönnen ersatzlos verloren. Weil diese Kultur keinen naturhandhabenden Ersatzwillen mehr bereitstellt, sondern weil sie jeder vorkommenden Natur vielmehr normative Gültigkeit zuschreibt. Der Einzelne wird so dazu verleitet, seinen Willen der Norm seiner Natur zu unterstellen. Mehr noch: Er wird dazu verleitet, seine Natur mit seinem Willen zu verwechseln. Damit kann er letztlich nicht mehr seine Natur wollend regulieren und kanalisieren, er kann bloß noch seiner Natur entsprechend funktionieren – irrtümlich davon ausgehend, in dieser Funktion äußere sich sein Wille.

Eines der folgenschwersten Probleme der gegenwärtig heranwachsenden Generation ist somit dieses: Diese Generation weiß nicht mehr, was es heißt zu wollen. Sie erlernt nicht mehr die Kunst des Wollens. Sie kann gar nicht mehr wollen. Erschreckenderweise hält sie sich dabei selbst für kulturell hochentwickelt, gar für höherwertig – und dies ausgerechnet unter der Norm einer Kultur, die sie ihrer Natur willenlos ausliefert.

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