Seiten

Sonntag, 31. Dezember 2017

344

Zwischen den Jahren lese ich die Vorlesungen zum philosophischen Glauben von Karl Jaspers. Erste vorläufige Wahrnehmungen:
Ein Denken, das klärt und aufklärt, das gerade auch in seiner Differenz Schärfungen des eigenen Denkens abverlangt. Philosophie also im besten Sinne, Philosophie als Forderung und Herausforderung.
Ein Denken, das sichtlich theologisch informiert auftritt, das gerade auch um seine christliche Herkunft weiß. Philosophie also vor dem fatalen säkularistischen Traditionsabbruch insbesondere in Deutschland, Philosophie vor dem Vergessen der religiösen Wurzel und Durchdringung des säkularen Sprachspiels.
Ein Denken, das ungeachtet aller Sensibilität für die Gebrochenheit menschlicher Existenz am Menschen als Freiheits- und Möglichkeitswesen festzuhalten versucht. Philosophie also der Hoffnung im Angesicht des notwendigen Scheiterns.
Ein Denken, das sich dem werdenden Nihilismus zu stellen, ihm aber zugleich durch existenzielle Gültigkeitssätze zu entkommen versucht. Philosophie also auf der Schwelle, ein Denken vor dem unvermeidlichen Denken im Ab-Grund.

Sonntag, 24. Dezember 2017

343

Ein Freund hat mich auf einen netten und klugen Comic aufmerksam gemacht:



Christliche Kultur, während sie sich unvermeidlich entsubstanzialisiert und entleert, leistet nichts anderes als die Öffnung und Perpetuierung einer existenziellen Frage.
Der (reservative) Sinn von Weihnachten als (heute entsubstanzialisiertes und entleertes) Phänomen christlicher Kultur liegt nicht darin, eine substanzielle (religiöse) Wahrheit zu tradieren. Weihnachten öffnet und perpetuiert lediglich die Frage nach einer (noch) möglichen Interpretation des messianischen Ereignisses. Und die Antwort auf diese Frage kann mittlerweile keine substanzielle, keine repräsentative mehr sein. In diesem (reservativen) Sinne: Ein gesegnetes Weihnachtsfest.

Samstag, 23. Dezember 2017

342

In den vergangenen Tagen habe ich mich mit Volkswirtschaft als Wissenschaft und mit Volkswirten als Wissenschaftlern auseinandersetzen müssen. Die Eindrücke sind bedrückend.

Samstag, 16. Dezember 2017

341

Credo quia absurdum. Ein durchaus fragwürdiger Zugang zur Wirklichkeit, der gerne Tertullian und Augustinus zugeschrieben wird, wenngleich er sich bei beiden so nicht findet.

Freitag, 15. Dezember 2017

340



Michelangelos Schöpfung Adams. Die Lücke zwischen dem Finger Adams und dem Finger Gottes – das ist der Raum, das ist das Gehäuse von Sein und Existenz. Das ist der Ort, an dem wir interpretieren und handeln. Das ist der einzige Ort auch jeder Theologie und jeder Politik.

Mittwoch, 13. Dezember 2017

339

Hinter Politik als Praxis, hinter politisch ordnender Ausübung von Macht, steht immer eine Anschauung der Welt, eine Interpretation von Wirklichkeit. Mit Wirklichkeitsinterpretationen sind immer auch Vorhaben formuliert, die durch Politik, durch praktische politische Macht realisiert werden sollen. Praktische Vorhaben der Politik können auf das Gute zielen, auf die Realisierung einer wie auch immer begriffenen guten politischen Ordnung. Dann ist das interpretatorisch gewonnene Gute der Zweck, die Politik ist das Mittel. Die Vorstellung, Politik sei Instrument des Guten, ist in der abendländischen politischen Theorie und Praxis weit verbreitet. Sie erscheint hier geradezu als vorzugswürdig. Verständlich wird dies im Blick auf die Wirklichkeitsinterpretationen der Herkunftsreligion des Okzidents, auf die christlich-erlösungsreligiös motivierte Bindung der Politik an die Norm der Weltbesserung.


Freitag, 1. Dezember 2017

338

Das Staunen ist der Beginn der Philosophie. Das Staunen ist die Haltung des Philosophen schlechthin. Dafür stehen die Griechen, dafür stehen Platon und Aristoteles.
Ich denke: Das Ende des Staunens ist der Beginn der Philosophie. Wer nicht mehr staunen kann, wen nichts mehr verwundert, der hat die wohl entscheidende Voraussetzung in Händen, ein weiser Mensch zu werden.