„1) Wichtig ist natürlich vor allem die kleine methodische Notiz zu Beginn des Textes: ‚Wer sich auf die Aufstellung in 2 Thess 2 als eine politische einlässt, der lässt sich auf ein kryptisches Zu-, In-, Gegeneinander von Symbolen ein, auf verwirrende Begriffe und Begriffsverwirrungen. Hier helfen allein systematische Schneisen, die gelegentlich geradezu gewaltsam geschlagen werden müssen. Zweifellos lässt sich die Arbeit an 2 Thess 2 in einem knapp gefassten Essay kaum befriedigend bewältigen. Daher werden hier lediglich abstrakt kompilierte, heuristisch verkürzte Ergebnisse formuliert, ohne die Lektüre- und Denkwege eingehend zur Darstellung zu bringen.‘
Damit ist grundsätzlich gesagt: Ich arbeite in meiner Beschäftigung mit 2 Thess 2 – wie so oft – bewusst mit Verkürzungen und Zuspitzungen, um das, was ich sagen will, möglichst deutlich herausarbeiten zu können.
Im vorliegenden Text verfolge ich vor allem drei Zwecke. Erstens: Ich will aus systematischen, therapeutischen und politischen Gründen eine klare Unterscheidung ermöglichen zwischen dem Paulinischen und dem Christlichen. Dass ich dabei Paulus selbst, gerade aber auch der Vielfalt möglicher Christentümer nicht gerecht werde, ist mir bewusst.
Zweitens: Ich will mich, weil ich es gerade auch angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen unter Pandemie- und Kriegsbedingungen für dringend geboten halte, sowohl nach rechts (Carl Schmitt) als auch nach links (Giorgio Agamben) nachvollziehbar abgrenzen. Aus leidiger Erfahrung weiß ich, dass ich hier wegen einiger Parallelen im Denken immer wieder unzutreffend einsortiert werde.
Drittens: Ich will noch einmal – dies nun vor allem mit Hilfe des Begriffs der Vergegenwärtigungsneigung – eine griffigere Formulierung meiner eigentümlichen Säkularisierungsthese ermöglichen (die sich ja nicht auf die Annahme einer Entwertung, sondern auf die einer Überladung des Wirklichen durch das Christentum stützt). Dies dient der Vorbereitung einer breiter und fundamentaler angelegten Kritik des christlichen Zugangs zur Welt überhaupt. Es gibt ja nicht nur eine Dialektik der Aufklärung, es gibt auch eine Dialektik des Christentums und – was mich besonders bewegt – eine Dialektik der Reformation. Dazu ist aus meiner Sicht noch zu wenig Treffendes gesagt worden.
2) Es ist richtig, dass das messianische Subjekt, dass die (paulinisch) messianische Existenzweise, der ich mich neu anzunähern versuche, praktisch gewisse Ähnlichkeiten aufweist nicht nur zur stoischen, sondern durchaus auch zur gnostischen Existenzweise. Wo allerdings die fundamentalen Unterschiede liegen, kann ich hier nur kurz andeuten: Die Wirklichkeitserzählungen, vor allem die Erzählungen des Verhältnisses von Weltwirklichkeit und Gotteswirklichkeit, unterscheiden sich erheblich. Das hat Konsequenzen für die messianische Erzählung selbst, aber auch für deren Praxis. Die messianische Erzählung selbst lebt gewissermaßen von und mit der Aporie. Zahlreiche Fragen, die sich der Stoiker oder der Gnostiker in schließender Absicht noch zu beantworten versuchen muss, können und müssen in der messianischen Erzählung schlechtweg offenbleiben. In der Praxis kann sich das messianische Subjekt, im Unterschied zum stoischen und zum gnostischen Subjekt, ganz auf das vorgefundene Wirkliche einlassen, ohne dass es vom Wirklichen zugleich gefangen gesetzt würde. Es geht hier also gerade nicht um emotionale oder moralische Abschottung oder Askese, sondern um das, was ich gelassenen Weltgebrauch nennen würde.“
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