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Freitag, 11. November 2016

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Donald Trump wird Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Für mich ist diese Wahl vor allem ein Symptom dafür, dass nicht wenige Menschen, vermutlich sogar die überwiegende Mehrheit, auch künftig Schließungen brauchen werden. Trump ist Ausdruck der Sehnsucht, des Bedürfnisses nach Schließung, nach Abschließung gegenüber der zunehmenden, überfordernd verunsichernden Gleich-Gültigkeit durch Rekurs und Rückzug auf eine verlässliche, gemeinsame, verbindende Gültigkeit.

Trump hat diese Gültigkeit repräsentativ angeboten – im Slogan „Make America Great Again“ und in seinem unbeirrbar großspurigen Habitus. Damit ist es ihm gelungen, die gesellschaftliche und politische Wirklichkeit für einen Augenblick zu verschleiern (wie vor ihm übrigens auch Obama). Gesellschaftliche und politische Wirklichkeit ist zunächst: Die Begriffe „America“ und „Great“ sind mit keiner verlässlichen, gemeinsamen oder gar verbindenden Gültigkeit gefüllt oder hinterlegt. Tatsächlich waren sie es nie, und so ist selbst das romantische „Again“ eine Illusion. Gesellschaftliche und politische Wirklichkeit ist zudem: Die im „Make“ und in Trumps Habitus symbolisierte personale Gültigkeitsmacht über den Wirklichkeitsverlauf gehört, wenn es sie je einmal gab, schon längst der Vergangenheit an. Und sie wird sich auch nicht reanimieren lassen. Nicht unter den Bedingungen, die wir als Globalisierung beschreiben, unter denen der Versuch, personale Gültigkeitsmacht auszuüben, mittlerweile geradezu lächerlich, noch viel mehr aber höchst gefährlich erscheinen muss.
Mit Blick auf Trumps Wahlkampf ist in den vergangenen Monaten nicht selten von „postfaktischer Politik“ gesprochen worden. Dieser Modebegriff bringt zum Ausdruck, dass im Raum des Politischen nicht mehr Gültigkeiten verhandelt werden, sondern bloß noch Virtualitäten. Das Eigentümliche des in diesen Virtualitäten behaupteten als ob ist, dass es nicht mehr spezifisch und nicht mehr bestimmt ist. Das als ob postfaktischer Politik ist nicht mehr regulative Idee im kantischen Sinne. Es ist beliebig und flüchtig und dient allein der emotionalen Gefangennahme. Ein Zurück wird es hier nicht mehr geben können. Die Politik der Aufklärung steht vor ihrem Ende.

Nachbemerkung: In Deutschland sind die Reaktionen auf Trumps Wahlsieg noch weitgehend von der säkularen Rationalität der Moderne und der darin gegebenen Fortschrittsannahme bestimmt. „Wir dachten, dass wir so etwas schon längst überwunden hätten, dass so etwas nicht mehr möglich wäre.“ Nun – der deutschen Politik muss man wohl sagen: Haltet euch fest, woran auch immer. Das ist erst der Anfang.

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