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Sonntag, 14. Dezember 2025

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Liberaler Rechtsstaat und liberale Demokratie sind mittlerweile gefährdeter denn je. In dieser Lage muss vielleicht noch einmal daran erinnert werden, dass die Idee dieser Form und Organisation menschlichen (politischen) Beieinanderseins in einer Zeit geboren und entfaltet wurde, in der von Massengesellschaften im heutigen Sinne noch keine Rede war. Liberaler Rechtsstaat und liberale Demokratie sind nicht für die Masse gemacht. Rousseau hatte beim Entwurf seines Contrat Social eine Stadt wie Genf vor Augen.
Auch wenn wir in der Moderne repräsentative Strukturen, Institutionen und Verfahren etabliert haben, die uns zumindest den Eindruck vermitteln, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie seien massentauglich, so scheint sich doch zunehmend offenzulegen: Die liberale Idee der Freiheit ist unter Massenbedingungen nicht dauerhaft überlebensfähig. Auch das drängt uns heute dazu, nach anderen Formen freiheitlichen Lebens Ausschau zu halten. Gerade auch im Angesicht der offensichtlich verlockenden autoritären Alternativen.

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Eine meiner wesentlichen beruflichen Herausforderungen der nächsten Jahre wird darin liegen, der Neigung zur Absolutsetzung dieser oder jener Rationalität entgegenzuwirken. Die Flucht ins Absolute ist eine gerade in Deutschland beliebte Form der Komplexitätsreduktion, die durchaus intellektuell beeindruckend daherkommen kann, in der sich jedoch tatsächlich nichts anderes vollzieht, als ein archaischer, evolutionsbiologisch erklärbarer Mechanismus unserer Natur.

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Im Rahmen meiner neuen Aufgabe, setze ich mich mit einer möglicherweise kommenden Realität der gegenwärtigen und nächsten Soldatengeneration auseinander. Aktuell sind die Prognosen finster, und wir sind gut beraten, jenen, die betroffen sein werden, dabei zu helfen, der sich wieder aufklärenden wirklichen Wirklichkeit nüchtern ins Auge zu blicken.
Menschen wie ich, die nun an der Schwelle des Alters stehen, erinnern sich vielleicht noch an die in den 1980ern geführte Debatte zum Satz von der Gnade der späten Geburt. Über uns, über meine Generation wird man einst vielleicht sagen, sie habe die Gnade der frühen Geburt erfahren dürfen. Die Gnade des Zufalles eines Geburtsdatums, das uns in einer Übergangszeit des Scheins wohlbehütet und wohlständig hat leben lassen.